Russen bleiben aus – Handel klagt über heftige Einbußen

Russen bleiben aus – Handel klagt über heftige Einbußen
Umsätze gingen um knapp ein Drittel zurück. Mehr Touristen aus China bringen einen leichten Ausgleich.

Auf den ersten Blick ist es nicht zu erkennen. Die Fußgängerzone rund um das Goldene Quartier ist gut besucht. Touristen, mit Eis in der linken und Reiseführer in der rechten Hand drücken sich die Nasen an den Schaufenstern platt. Doch das Problem: Wenige von ihnen sind aus Russland. Das Ausbleiben der kaufkräftigsten ausländischen Touristengruppe bereitet dem Handel Kopfzerbrechen.

"Kein Kommentar", heißt es offiziell von Nobeljuwelier Cartier – hinter vorgehaltener Hand bestätigen Mitarbeiter des Goldenen Quartiers aber einen Umsatzrückgang. Denn Russen stellen eine wichtige Einnahmequelle dar. Ein Großteil der Luxusgeschäfte hat russisch-sprechende Mitarbeiter.

Laut Global Blue, einem Unternehmen zur Mehrwertsteuerrückvergütung, sank der Umsatz russischer Touristen in Wien im ersten Halbjahr 2014 um 16,8 Prozent; österreichweit um 17,4 Prozent .

Dramatische Situation

"Es ist dramatisch", sagt Boutiquenbesitzerin Natalia Kouznetsova. Mit ihrer Boutique "Edition K" hat sie sich auf russische Käufer spezialisiert. Sie habe ein Umsatzminus von zehn Prozent zu beklagen. Grund für das Fernbleiben nennt Kouznetsova die Ukraine-Krise und der schlechte Rubel aufgrund der wirtschaftlichen Sanktionen. Derzeit müssen für einen Euro 47,48 Rubel gezahlt werden. Fremdenführerin Margarita Andrievski: "Es wird derzeit starke Propaganda in Russland betrieben, sodass Russen glauben, sie seien in Europa nicht willkommen."

Mit 15,7 Prozent sind auch deutliche Rückgänge im Bereich Schmuck und Uhren zu verzeichnen. "Wir spüren seit vier Wochen jedoch wieder einen leichten Aufschwung", sagt Philipp Pelz, Geschäftsführer von Juwelier Wempe. Er bemerke jedoch starken Zustrom aus China. Obwohl die Chinesen bei den Nächtigungen auf Platz 12 liegen, beim Umsatz sind sie die zweitstärksten und geben laut Global Blue bei einem Einkauf durchschnittlich 990 Euro aus.

Ein Drittel weniger

Noch dramatischer als in Wien ist die Situation jedoch in Salzburg, wo russische Touristen in den vergangenen sechs Monaten um knapp ein Drittel weniger Geld ausgaben. "Wenn früher ein Russe zur Tür hereinkam, haben wir gewusst, jetzt rollt der Rubel. Jetzt kaufen sie vielleicht ein T-Shirt und gehen wieder", erzählt eine Verkäuferin von Escada am Alten Markt in Salzburg. Der "gute Russe", der zahlungsfreudige, bleibt aus, weiß auch Susanne Schwaiger von Airfield in der Getreidegasse. "Heute ist die Mittelschicht stärker vertreten. Diese Touristen überlegen zwei Mal, wie viel Geld sie hinlegen."

Russen bleiben aus – Handel klagt über heftige Einbußen

In Zell am See, der Ski- und Shopping-Hochburg für Luxustouristen, schaut es ebenfalls mager aus, sagt Bogner-Chefin Gabriele Truschner: "Seit dem russischen Weihnachtsfest im Jänner sehen wir kaum noch Russen. Das spürt man ganz stark am Gesamtumsatz."

Nicht nur der Handel, auch die Hotels bemerken das Ausbleiben der Russen. Wie Wien-Tourismus am Montag bekannt gab, nächtigten im ersten Halbjahr 2014 zwölf Prozent weniger Russen in der Bundeshauptstadt. Nach einem besonderen Minus im Mai mit rund 26 Prozent weniger russischen Gästen war im Juni jedoch wieder eine Besserung der Entwicklung spürbar: Da betrug das Minus lediglich zwei Prozent.

In Salzburg fiel der Einbruch ebenfalls im Mai heftig aus: In diesem Monat gab es um 35,2 Prozent weniger Nächtigungen. Im April verzeichnete der Salzburger-Land-Tourismus ein Minus von 25,3 Prozent. Für Juni stehen die Zahlen noch aus, es ist aber mit einem leichten Aufwärtstrend zu rechnen.

Luxushotellerie

Während Wien-Tourismus mit sechs Mio. Nächtigungen im ersten Halbjahr ein Plus von sechs Prozent verzeichnen konnte, ist die Stimmung bei den Fünf-Sterne-Hotels geknickter. Mit 641.000 Nächtigungen gab es hier ein Minus von drei Prozent. Das Ausbleiben russischer Gäste stellt in diesem Sektor einen besonderen Verlust dar. Im Grand Hotel wurde ein Rückgang an russischen Gästen bestätigt; im Imperial Hotel fürchtet man Buchungsrückgänge russischer wie ukrainischer Gäste auch noch im kommenden halben Jahr.

Alexander Moj, General Manager des Sofitel Wien-Stephansdom, sagt: „Die Russen sind nicht unser primärer Markt, trotzdem haben wir die Einbußen bemerkt.“ Doch tun könne man dagegen wenig, heißt es seitens der Hoteliers. Außer: „Abwarten und hoffen“, ergänzt Andrea Feldbacher, stellvertretende Obfrau der Wirtschaftskammer Wien in der Fachgruppe Hotel.

Werbekampagnen

Bei Wien-Tourismus sieht man das anders: Hier will man aktiv um russische Kunden werben. Anlässlich eines Herbst-Genuss-Festivals im Eremitage Park in Moskau wird in Kooperation mit der Firma Meinl ein Wiener Open-Air-Kaffeehaus aufgebaut. Dabei wird es typische Spezialitäten wie Apfelstrudel inklusive wienerische Klaviermusik geben.

Weitere Großevents sind in New York zum Thema „150 Jahre Ringstraße“ sowie in Rom mit Fokus auf die Adventzeit geplant. Diese beiden Nationen verzeichneten mit 16 bzw. 18 Prozent Steigerung starken Zustrom.

Das größte Plus unter den 55 erfassten Märkten gab es übrigens aus Südkorea. Mit 67.000 Nächtigungen aus diesem Land war eine Steigerung von 27 Prozent zu bemerken.

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