Roter Wahlkampf an zwei Fronten

Michael Häupl am Ottakringer Kirtag
Längst geht es auch um die Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl.

Der Ottakringer Kirtag ist für Bürgermeister Michael Häupl ein Heimspiel. Es gibt quietschende Ringelspiele, rosa Zuckerwatte und rote SPÖ-Ballons. Bei der Eröffnung auf der Bühne vor dem Heurigen 10er Marie wird Häupl ein Geburtstagsständchen gesungen (er wurde am Donnerstag 68 Jahre alt), danach gibt es Punschkrapfen-Torte und Spritzwein aus dem Plastikbecher.

Häupl genießt das Bad in der Menge, er schüttelt Hände, bekommt Glückwünsche. Es ist ein Ur-Wiener Gefühl: Wenn einer scheidet, werden alle wehmütig. "Ein Besseren wie ihn wird es nie wieder geben", sagt eine ältere Frau. Häupl selbst befindet sich naturgemäß im Wahlkampfmodus: Der Start der SPÖ sei nicht gut gewesen, "aber die Performance wird immer besser", sagt er.

Fehlersuche

Doch nicht alle in der Wiener SPÖ sind der Meinung. Viele Genossen haben bereits den Hauptschuldigen für die Pannenserie im Wahlkampf ausgemacht: Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. "Ich würde ihn lieber heute als morgen austauschen", ärgert sich ein hoher Funktionär. Dem Wahlkampf-Manager werden einige strategischer Fehler vorgeworfen, etwa seine Ansage bereits im Februar, dass die SPÖ eine Koalition mit den Grünen und den Neos anpeile. Noch hoffen viele, dass Christian Kern im Wahlkampf-Endspurt das Ruder noch herumreißen kann. "Er ist der beste Kandidat und hat ein herzeigbares Programm. In den direkten TV-Konfrontationen mit Sebastian Kurz wird er sicher punkten", ist der Funktionär überzeugt. Das glaubt auch Ottakrings Bezirksvorsteher Franz Prokop: "Wir waren in den letzten Wochen eines Wahlkampfs immer stark. Wir drehen das noch." Die Roten spulen weiterhin ihr großes Hausbesuchsprogramm ab.

"Draußen in den Bezirken laufen alle", sagt ein Partei-Insider. Denn niemand wolle sich nach der Wahl vorwerfen lassen, sein Bezirk habe zu wenig geleistet. Häupl glaubt sogar, dass der Wahlkampf die Wiener Genossen zusammenschweißen werde. "Der gemeinsame Kampf verändert die Sicht auf die Dinge", sagt Häupl angesprochen auf die Diadochenkämpfe um seine Nachfolge.

Eine optimistische Sicht der Dinge. Längst wetzen alle in der Wiener SPÖ ihre Messer. Offiziell will Häupl Ende Jänner das Zepter übergeben, doch schon am 16. Oktober werden die Kämpfe offen ausbrechen. Das schade auch dem Wahlkampf, ist ein Genosse überzeugt "Ja, ein Teil der Partei ist sehr engagiert, vor allem die Neueinsteiger und die Jungen. Viele warten aber auf die Entscheidung am Parteitag im Jänner. Das ist kein Rückenwind", gibt er sich skeptisch.

Warten auf Kandidaten

Als einziger bisher hat Wohnbaustadtrat Michael Ludwig angekündigt, zu kandidieren. Seine Unterstützer gegeben sich jetzt schon siegessicher: "Er wird beim Parteitag eine klare Mehrheit haben. Deshalb ist auch kein Gegenkandidat in Sicht", sagt der Simmeringer Bezirksparteichef Harald Troch. "Ludwig ist der kompetenteste und erfahrenste Stadtrat", ist er überzeugt.

Ludwig selbst rechnet sehr wohl mit zumindest einen Gegenkandidaten: "Ich sehe das aber gelassen. Ich habe schon viele Wahlen geschlagen und nehme jeden." Ob die Wahlentscheidung im Bund auch auf Wien Auswirkungen hat, dafür gibt es im Moment zwei Lesarten. Kommt Schwarz-Blau will der linke Flügel einen ausgewiesenen Linken als Gegengewicht – so feierte Häupl einst seine größten Siege. Andere argumentieren wiederrum, dass die Österreicher etwa in der Flüchtlingsfrage weiter nach rechts gerückt seien, und man genau dafür einen Kandidaten brauche.

Troch traut Ludwig jedenfalls das nötige Gespür zu, um auch in der Bevölkerung mehrheitsfähig zu sein und die aktuell brennendsten Probleme in Wien anzupacken: Die städtischen Finanzen, Kindergärten, Integration und die Spitäler. "Als fünfte Baustelle ist noch die Mindestsicherung dazugekommen", sagt Troch: "Es braucht einfach eine Differenzierung zwischen einheimischen Beziehern und Flüchtlingen. Niemand in der Bevölkerung versteht, dass ein 18-jähriger Asylberechtigter, der nie in das System einbezahlt hat, gleich viel bekommt wie eine 70-Jährige, die drei Kinder groß gezogen hat", sagt der Simmeringer Nationalrat. Troch wirft seinen Genossen vor, in dieser Frage den Grünen nachgegeben zu haben. "Die Grünen agieren unprofessionell und sind rein innerstädtisch orientiert. Damit sind sie der Sand im Getriebe dieser Regierung."

Ob mit einem neuen Bürgermeist Rot-Grün weiter Zukunft hat, will im Moment keiner in der Wiener SPÖ beantworten. Häupl selbst jedenfalls wird sich ganz aus der Politik zurückziehen. Als graue Eminenz wolle er nicht in die Geschichte eingehen: "Mein Name ist Michael Häupl und nicht Wolfgang Schüssel."

Kommentare