Rot-grüne Belastungsprobe

Häupl, Vassilakou
Maria Vassilakou will über das Projekt im Gemeinderat frei abstimmen lassen. Die grüne Basis ist erzürnt.

Maria Vassilakou will trotz der negativen Urabstimmung der Grünen das Heumarkt-Projekt durchziehen. Wiens grüne Vizebürgermeisterin überlässt daher die Entscheidung für die benötigte neue Flächenwidmung dem Gemeinderat – und zwar in einer freien Abstimmung.

Dennoch geht sie von einer rot-grünen Mehrheit für das Projekt aus. "Die letzte Entscheidung hat der Gemeinderat und sonst niemand", richtete sie am Dienstag den parteininternen Gegnern des Projekts aus. Wenig später gab sogar Klubchef David Ellensohn, der intern als Kritiker Vassilakous gilt, eine Garantie ab, dass es eine rot-grüne Mehrheit geben werde.

Vassilakou betonte mehrfach, dass man dem Eislaufverein und dem Investor im Wort stehe. Die Grünen stehen aber auch der SPÖ im Wort. Wer ein derart großes Projekt nach fünf Jahren Planung zu Fall bringt, ist als Koalitionspartner nicht paktfähig. Das weiß auch Vassilakou. Bürgermeister Michael Häupl zeigte sich in einer ersten Reaktion erfreut und lobte demonstrativ die "Handschlagqualität" von Vassilakou. Schließlich käme ihm eine Koalitionskrise vor dem roten Landesparteitag am Samstag wenig gelegen.

Brüchiger Frieden

Dass damit bei den Grünen Frieden einkehrt, ist ein Trugschluss. Denn die Krisensitzung der Ökopartei Montagabend war nicht so harmonisch, wie es die Parteigranden nach außen darstellen, berichten mehrere Grüne. "Es gab keine breite Zustimmung für das Projekt", widerspricht etwa Alexander Hirschenhauser, Klubchef der Grünen Innere Stadt und Mitbegründer der "Initiative Urabstimmung", der Darstellung Vassilakous. Er zeigte sich überrascht und schwer enttäuscht von der Vorgangsweise der Parteispitze: "Wir haben mit allem gerechnet, nur nicht damit."

Auch Wolfgang Zinggl, grüner Kultursprecher im Bund, ärgert sich, dass das Votum der grünen Basis ignoriert wird: "Demokratiepolitisch ist das eine Entwicklung, die mir Sorgen bereitet." Er befürchtet nun, dass sich grüne Mitglieder enttäuscht abwenden. Eine Situation, die er gut kennt. Auch im Bund hat es zwischen Parteispitze und Basis – in dem Fall den Jungen Grünen – kürzlich gekracht. Auch Eva Lachkovics, bis 2015 stv. Bezirksvorsteherin im dritten Bezirk und Referentin der Grünen Frauen Wien, ist desillusioniert. "In unseren Statuten ist die Basisdemokratie ein Grundwert. Ein hohes grünes Mitglied hat sich nicht daran gehalten", sagt sie. Wie die Projekt-Gegner nun weiter vorgehen wollen, verraten sie vorerst nicht. "Es ist aber augenscheinlich, dass es in der grünen Partei ein Problem zwischen Führungsebene und Basis gibt", sagt Hirschenhauser.

Warnung

Vassilakou wird wohl weiter internen Gegenwind spüren. Sie versuchte, mit einer Warnung und einem kleinen Zugeständnis die Kritiker einzufangen. Gebe es keine Zustimmung zu dem Projekt, könnte das Areal zum Spekulationsobjekt werden, sagte sie. Um Zweiflern die Zustimmung zu erleichtern, verkündete die Ressortchefin, dass sie mit dem Investor Michael Tojner vereinbart habe, die Hälfte der Räumlichkeiten des Hochhauses nicht als Luxuswohnungen zu entwickeln, sondern für eine Institution im öffentlichen Interesse zu reservieren.

Gewissheit herrscht jedenfalls am 1. Juni, wenn die Flächenwidmung in den Gemeinderat kommt. Von 100 Mandaten im Stadtparlament hat Rot-Grün derzeit 54 inne – 44 die SPÖ, zehn die Grünen. Vassilakou braucht also mindestens sieben Unterstützer aus den eigenen Reihen, um die Flächenwidmung durchzubringen. Noch halten die Roten zur grünen Spitze. Häupl sagte am Dienstag, er gehe nicht davon aus, dass die Koalition zerbrechen werde. Auf die Frage, ob er über einen Plan B verfüge, antwortete er: "Einen Plan B entwickelt man nur dann, wenn man ihn braucht." Ab 1. Juni könnte er ihn brauchen.

Die Unstimmigkeiten in der rot-grünen Koalition freuen naturgemäß die Opposition. Die ÖVP etwa ortete den "Höhepunkt einer Dauerkrise". Landesobmann Gernot Blümel nutzte gar die Gelegenheit, um am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz die Bedingungen seiner Partei für Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ zu präsentieren, denn: "Informell sind wir bereits mehrmals von SPÖ-Funktionären aus der zweiten und dritten Reihe gefragt worden, ob wir uns einen Koalitionswechsel vorstellen können."

Für Koalitionsverhandlungen erwarte er demnach von der SPÖ die Ermöglichung der Sonntagsöffnung in Wien, die Einrichtung von Demozonen, ein volles Bekenntnis zur dritten Piste in Schwechat, den Bau des Lobau-Tunnels, eine Senkung der Gebühren, eine Pensionsreform sowie eine Reform der Mindestsicherung.

Häupls Kommentar zum Angebot der ÖVP: "Eine interessante Antwort auf eine nicht gestellte Frage."

"Gescheitert"

"Mir stellt sich die Frage, wie eine Regierung noch Vernünftiges leisten soll, wenn beide Partner durch interne Streitereien gelähmt sind", sagt wiederum der freiheitliche Vizebürgermeister Johann Gudenus. Für ihn sei " Rot-Grün gescheitert und am Ende". Einen fliegenden Regierungswechsel schließt er jedoch aus – er fordert Neuwahlen.

Gelassen reagiert indes der für das Heumarkt-Areal zuständige Projektbetreiber Wertinvest: Man sei zuversichtlich, dass die Flächenwidmung die Zustimmung des Gemeinderats erhalten werde. "Ich vertraue auf die unbestreitbaren Stärken des Projekts", hieß es am Dienstag in einem Statement von Geschäftsführerin Daniela Enzi.

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