Ringen um die Wiener Demo-Zonen

Das Foto zeigt eine Kurden-Demo gegen den IS.
Unternehmer wollen keine "gefährlichen Demos" in der City / Politik schiebt den Ball hin und her.

Der Schanigarten sei verwüstet worden; ältere Gäste hätten sich in Panik auf den Toiletten eingesperrt – und das Lokal musste aus Sicherheitsgründen für vier Stunden zusperren. Die Kundgebung, in deren Rahmen am 13. August türkisch- und kurdischstämmige Demonstranten am Stephansplatz aufeinander trafen, brachten für Familie Prousek das Fass zum Überlaufen: Die Betreiber der Konditorei-Kette Aida starteten daraufhin eine Petition gegen "Demonstrationen mit erhöhtem Gefahrenpotenzial" – im Zentrum, in Tourismuszonen sowie entlang von Einkaufsstraßen. 112 Unternehmer hätten die Forderung an Bundes- und Stadtregierung bis gestern, Montag, bereits unterschrieben, berichtet Junior-Chef Dominik Prousek.

Man wolle das Grundrecht auf Demonstration nicht in Abrede stellen, heißt es in der Petition. Innerpolitische Konflikte von Drittländern auf der Straße gewaltsam aufzuzeigen, sei aber eine Gefahr. Kunden beziehungsweise Gäste seien ebenso verunsichert, wie Mitarbeiter und Touristen. Zudem entstehe ein wirtschaftlicher Schaden und die Wiener Innenstadt verliere an Ansehen.

"Verstörte Kundschaft"

Das bestätigen dem KURIER auch andere City-Unternehmer. Ein Juwelier, eine Kosmetikhändlerin und ein Schuhverkäufer. Die Kundschaft reagiere verstört auf Lärm, Chaos und Polizeipräsenz – oder sei gar nicht erst gewillt, an Demo-Tagen in die Innenstadt zu kommen. Seinen Namen will aber keiner der Wirtschaftstreibenden in der Zeitung sehen. Man wolle sich nicht zur Zielscheibe machen.

Unterstützt wird die Petition von der Wiener ÖVP, die zudem die Demo-bedingten Ringsperren eindämmen will. Um "erstens Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, zweitens die Sicherheit der Bevölkerung nicht zu gefährden und drittens das freie Unternehmertum nicht zu beeinträchtigen", plädiert Landesparteichef Gernot Blümel für Demo-Zonen. Konkret denkt er an Heldenplatz, Prater-Hauptallee oder Donauinsel.

Während den Innenstadt-Unternehmern in erster Linie Demonstrationen, die von der Polizei als Risiko eingestuft werden, ein Dorn im Auge sind, hat man bei der ÖVP auch mit "sinnlosen" Kundgebungen ein Problem. So kann Blümel etwa nicht nachvollziehen, warum für "Rasen am Ring" (am Auto-freien Tag; Anm.), Hanf-Parade oder die Bademantel-Demo (zu Ehren von Udo Jürgens) immer öfter der Ring gesperrt werden muss. Schuld daran ist für ihn pauschal: Rot-Grün.

"An jedem dritten bis vierten Tag wird der Ring mittlerweile gesperrt. 2015 gab es dort 101 Demos. Laut Wirtschaftskammer erleiden die Unternehmen an Tagen mit einer Ringsperre bis zu 70 Prozent Umsatzrückgang", sagt Blümel. Nach Ansicht der Schwarzen sei es an der Exekutive zu entscheiden, was eine ernst zu nehmende Demo und was Spaß-Event sei.

Ringen um die Wiener Demo-Zonen
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"Subjektive Meinung"

Bei der Polizei sieht man das anders. "Wir können nicht entscheiden, was eine sinnvolle Demo ist – das wäre unsere subjektive Meinung", stellt Sprecher Roman Hahslinger klar. Bei der Anmeldung einer Versammlung zähle allein, ob die gesetzmäßigen Kriterien erfüllt seien.

Bei Rot-Grün schüttelt man ebenfalls den Kopf. Für SPÖ-Verkehrssprecher Gerhard Kubik ist der ÖVP-Vorschlag schlichtweg "Schwachsinn". "Demonstrationen haben ja nur dort Sinn, wo es auch jemand mitbekommt." Zudem seien Demo-Zonen nicht exekutierbar. Eben, weil die Polizei die jeweilige Veranstaltung im Vorfeld subjektiv bewerten müsse.

Rüdiger Maresch, Verkehrssprecher der Grünen, hält von Demo-Zonen "kurz gesagt: nichts". Demos seien ein Grundrecht. Eine Bademantel-Versammlung müsse man aber wirklich nicht am Ring abhalten. Auch Maresch sieht die Entscheidungsvollmacht bei der Exekutive.

Sollen Demos künftig nur in eigens definierten Zonen wie der Donauinsel oder der Prater Allee erlaubt sein? Theo Öhlinger, renommierter Experte für Verfassungsrecht, räumt den entsprechenden Plänen der Wiener ÖVP im KURIER-Interview keine Chancen ein.

KURIER: Die Wiener ÖVP und die Kaffeehaus-Kette "Aida" fordern, in der Stadt eigene Zonen für Demos zu schaffen. Kann das funktionieren?Öhlinger: So wie das die ÖVP und die Geschäftsleute derzeit fordern, verstößt das gegen die Versammlungsfreiheit – und diese ist in der Verfassung und auch im internationalen Recht verankert und somit geschützt.

Das heißt, es wird auch zukünftig nicht auf der Donauinsel demonstriert werden statt in der Wiener Innenstadt?

Das würde den Wert von Demonstrationen beeinträchtigen: Wenn Demonstranten mit ihren Transparenten über die Donauinsel marschieren, sehen das doch höchstens ein paar Badegäste (lacht). Das entspricht also nicht dem Ziel einer Demonstration: nämlich, ein Anliegen einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen.

Gibt es dennoch etwas, das man zum Schutz der Geschäftsleute tun könnte?

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist äußerst demonstrationsfreundlich, und eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit gilt rasch als rechtswidrig. Aber gewisse Regelungen zum Schutz der Geschäfte wären meines Erachtens zulässig. Man könnte etwa andenken, dass an gewissen Tagen, die für die Geschäftsleute besonders wichtig sind, nicht demonstriert werden darf: etwa an einem Samstag vor Weihnachten auf der Mariahilfer Straße, um nur ein willkürliches Beispiel zu nennen. Aber auch da ist schwer zu sagen, ob der VfGH das akzeptieren würde.

Derzeit scheint die Errichtung einer Demo-Zone also nicht realistisch?

Wenn sie es so versuchen, wie es heute präsentiert wurde, dann ist es unrealistisch. Denn diese Pläne sind mit der Verfassung nicht vereinbar. Wenn die Situation bei einer Demonstration eskaliert und etwa Auslagenscheiben eingeschlagen werden, muss die Polizei ohnehin einschreiten und die Demonstration auflösen. Aber eine Demo von vornherein zu untersagen, wäre verfassungswidrig.

Nicht bei allen Oppositionsparteien im Rathaus stieß die ÖVP-Idee auf große Begeisterung: Die Wiener FPÖ unterstützt die Forderung zwar, betont aber, bei dem Thema ohnehin seit langem ein "Vorreiter" zu sein – bloß habe man sich mit derlei Vorstößen bisher "leider allein auf weiter Flur" befunden. Für die Neos hingegen ist eine Einschränkung des Demonstrationsrechts "nicht akzeptabel". Was wiederum ÖVP-Klubobmann Manfred Juraczka zur deftigen Replik inspirierte, die "pinke Pseudo-Wirtschaftspartei" zeige Unternehmern "den Stinkefinger".

"Die Wiener FPÖ hat schon seit 2009 gefordert, dass die Demo-Inflation insbesondere am Ring und auf der Mariahilfer Straße gestoppt werden muss", sagt FPÖ-Verkehrssprecher Toni Mahdalik. Daher sei die Petition gegen den "Demo-Irrsinn" begrüßenswert.

Anders beurteilen das die Neos: "Das Recht zu demonstrieren ist ein wichtiger Teil der Demokratie. Dass die ÖVP anscheinend kein Problem hat, dieses Recht einzuschränken, ist besorgniserregend", betont Neos-Demokratiesprecher Christoph Wiederkehr. Daher sei die ÖVP ein "Beiwagerl der FPÖ".

Woraufhin Juraczka (ÖVP) kritisiert: "Anstatt die Demoflut weiter zu unterstützen, sollte sich die Wiener Neos-Partei überlegen, auf welcher Seite sie steht."

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