Quereinsteiger an Volksschulen: Grünes Licht für Pilotprojekt in Wien
Lehrermangel, ein durch den Familienzuzug belastetes System und viel Luft nach oben bei Chancengleichheit: Wiens Schulen kommen seit Wochen nicht mehr aus den Negativschlagzeilen heraus.
Ein Pilotprojekt soll zukünftig an Volksschulen für Entlastung sorgen. Die Stadt Wien fördert Teach for Austria (TFA) mit 117.900 Euro, um ein Programm für die Primarstufe aufzubauen. Damit sollen künftig auch Quereinsteiger an Volksschulen unterrichten.
TFA setzt bereits seit 12 Jahren sogenannte Fellows ein. Bisher allerdings nur an Mittelschulen und Polytechnischen Schulen, vor fünf Jahren wurde das Projekt auf Kindergärten ausgedehnt.
Nun soll die "Lücke dazwischen mit der Volksschule geschlossen werden", wie Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) am Montag erklärte.
Zum Einsatz sollen die neuen Fellows ab dem Schuljahr 2025/26 kommen - und zwar an 20 Wiener Ganztages-Volksschulen "mit einer hohen Dichte an sozioökonomisch benachteiligten Kindern".
Leistungsunterschiede ausgleichen
In Wien sind mehr als die Hälfte der Schulen in diese Kategorie eingeordnet. Laut PISA-Studienergebnissen weisen bereits Kinder im Alter von zehn Jahren, deren Eltern lediglich über einen Pflichtschulabschluss verfügen, in Mathematik und Leseverstehen bis zu drei Jahre Leistungsunterschied gegenüber Kindern von Akademikerinnen und Akademikern auf, hieß es beim Mediengespräch.
- Zweijähriger Praxiseinsatz: Die Fellows werden als vollwertige Lehrkräfte mit einer vollen Lehrverpflichtung an Ganztagsvolksschulen eingesetzt. So sollen sie ihr pädagogisches Können unter realen Bedingungen weiterentwickeln.
- Ausbildung: Das Programm beinhaltet laut TFA eine breite Palette an theoretischen und praktischen Lerninhalten, die den Fellows das nötige Rüstzeug für ihre Tätigkeit als Lehrkraft vermitteln. Rund die Hälfte der Ausbildung wird vor dem Praxiseinsatz im Rahmen einer vorbereitenden Sommerakademie absolviert. Während der zwei Jahre werden die Fellows regelmäßig von erfahrenen TFA Trainerinnen und Trainern hospitiert und gefördert
- Community und Netzwerk: Kooperationsprojekte mit dem erweiterten Netzwerk von Teach For Austria fördern den Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Bildungsakteuren.
Jetzt als TFA Fellow für das Schuljahr 2025/26 bewerbern auf www.teachforaustria.at.
Da will TFA ansetzen. "Wir wollen für alle Kinder Chancengleichheit", sagt Severin Broucek, TFA-Geschäftsführer. "Diese Kinder haben keine Zeit mehr zu verlieren."
Die Fellows werden dabei sorgsam ausgesucht. Pro Jahr gibt es 500 bis 1.000 Bewerberinnen und Bewerber, nur rund zehn Prozent davon werden in das Programm aufgenommen. Voraussetzung ist dabei ein Hochschulstudium, aber kein Lehramt, In den vergangenen Jahren hätten sich schon Politiker, Ärzte, Juristen und Spitzensportler für einen Wechsel zu Teach for Autria entschieden, so Broucek.
Nach einem erfolgreich absolvierten Assessment Center werden die zukünftigen Fellows in einer viermonatigen Intensivphase über den Sommer ausgebildet. In den Ganztagsvolksschulen sollen sie als vollwertige Lehrkräfte mit einer vollen Lehrverpflichtung eingesetzt werden. Zudem werden wöchentliche Fortbildungen angeboten, die für die Arbeit an den betreffenden Schulen wichtig ist, etwa Spracherwerb oder kulturelle Sensibilität. Grundsätzlich wird man als TFA-Fellow für zwei Jahre in der Praxis eingesetzt, mehr als der Hälfte gefiele es aber so gut, dass sie verlängern würden, sagt Broucek.
Gespräche über das Gehalt
Dabei verdienen sie weniger als Lehrer, die eine klassische Lehrausbildung gemacht haben. Wiederkehr will hier aber eine bundesgesetzliche Änderung erwirken. "Das sind Leute, die ein Medizinstudium absolviert haben und regulär als Lehrperson arbeiten. Warum sollten sie weniger verdienen?"
Die Gespräche mit dem Bildungsministerium über weitere Möglichkeiten, Quereinsteiger an die Volksschulen zu bringen bewertet Wiederkehr "viel positiver als in der Vergangenheit".
Situation ab Herbst "aktuell zufriedenstellend"
Nachdem das Projekt vor dem Start erst konkret aufgesetzt werden muss, können diesen Herbst auch noch keine Fellows starten. Wie die Lehrermangel-Situation im kommenden Schuljahr aussehen wird, könne man noch nicht final beantworten, sagt Wiederkehr. "Das wird sich erst im Sommer weisen. Was ich aber sagen kann, ist, dass es keine offene Stelle gibt, für die keine Bewerbung eingelangt ist. Die Situation ist aus jetziger Sicht also zufriedenstellend."
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