Prozess wegen Mordversuchs: Frau attackierte mutmaßlichen Peiniger

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Mit einem Gemüsemesser stach eine 32-Jährige zweimal auf einen Bekannten ein. Am Mittwoch musste sie sich dafür vor Gericht verantworten.

"Ich wollte ihn verletzen, aber sicher nicht töten", sagt die 32-Jährige. Ihre Stimme bricht. Vor ihr liegen zwei zerknüllte Taschentücher. Immer wieder streicht sie sich mit beiden Händen die Tränen aus dem Gesicht.

Die junge Frau stand am heutigen Mittwoch wegen versuchten Mordes vor Gericht, da sie im vergangenen Sommer mit einem Messer auf einen 48-jährigen Mann losgegangen ist. Zweimal hat sie laut Gerichtsmediziner auf ihn eingestochen, einmal in den Oberschenkel, einmal in die Niere. Der Mann wurde dabei lebensgefährlich verletzt. "Wäre das Opfer nicht rechtzeitig behandelt worden, wäre der Mann gestorben", ist die Staatsanwältin überzeugt. Bei der Tat habe es sich dem Gerichtspsychiater zufolge um eine "besondere Verkettung von Ereignissen in kurzer Zeit" gehandelt. 

Die "Verkettung" begann am Vortag der Tat, am 12. Juli vergangenen Jahres. Die 32-Jährige wollte dem späteren Opfer ein Mobiltelefon abkaufen. Sie ging mit ihm in seine Wohnung und nahm gemeinsam mit ihm berauschende Substanzen. Dadurch sei sie eingeschlafen. "Als ich wieder aufgewacht bin, lag sein Kopf an meiner Brust. Er hat nur gegrinst. Da war mir klar, dass ich vergewaltigt worden bin", schildert die Angeklagte. Als sie dann auch noch Fotos von sich auf seinem Handy entdeckt hatte, nahm sie sich seinen Rucksack mit all seinen Wertsachen und flüchtete aus der Wohnung. 

Derselbe Gesichtsausdruck

Am nächsten Tag traf sie den Mann wieder; in einem Abbruchhaus in Ottakring, einem bekannten Drogenumschlagplatz. Der Mann verlangte lautstark seine Sachen zurück. "Da habe ich Panik bekommen und mir zum Schutz ein Gemüsemesser bekommen und hinter meinem Rücken versteckt. Ich weiß, dass er immer ein Messer bei sich hat", sagt die 32-Jährige. Sie habe ihn "geschimpft" und ihm ins Gesicht geschleudert, was er ihr angetan habe. "Er hat wieder so gegrinst, derselbe Gesichtsausdruck wie nach der Vergewaltigung", sagt die Frau.

An das, was danach passierte, kann sie sich nicht mehr im Detail erinnern. Sie stach zu, einmal in den Oberschenkel, das zweite Mal in die Niere. "Ich wollte ihn nur leicht verletzen. Das sollte eine Lektion sein, dass er das in Zukunft nie wieder macht, mit anderen. Es ist dann alles so schnell gegangen", sagt die Angeklagte unter Tränen. 

Im Drogenmilieu

Der Verteidiger Rudolf Mayer erklärt die Tat unter anderem mit der Vergangenheit der 32-Jährigen. „Sie ist keine Mörderin. Sie ist ein armes, gequältes Mädl, das ausgenutzt worden ist“, hielt er fest. Seine Mandantin sei ursprünglich eine gute Schülerin, sogar Klassenbeste gewesen, bevor sie einen wesentlich älteren Mann kennengelernt habe. Auf dessen Aufforderung habe sie sechste Klasse abgebrochen und geheiratet. In der Ehe sei der Mann aber gewalttätig gewesen und hätte starke Drogen konsumiert. "Ich bin durch in auf die Drogen gekommen, aber sie haben mich krank gemacht", sagt die Angeklagte. Nach der Scheidung sei sie dann immer weiter ins Drogen-Milieu abgeglitten.

Der 48-Jährige bestritt im Zeugenstand, die 32-Jährige missbraucht zu haben. Im Ermittlungsverfahren hatte er von einvernehmlichem Sex gesprochen, vor Gericht erwähnte er intime Kontakte überhaupt nicht mehr. Gegen den 48-Jährigen wird seitens der Staatsanwaltschaft wegen der von der Angeklagten behaupteten Vergewaltigung nicht ermittelt. „Ob der Geschlechtsverkehr einvernehmlich war, konnte nicht festgestellt werden“, führte dazu die Staatsanwältin aus. Die Frau habe eine gynäkologische Untersuchung abgelehnt. "Ich wollte nicht, dass meine Eltern davon erfahren. In der Türkei ist es eine große Schande, vergewaltigt zu werden", so die 32-Jährige.

Mit dem Urteil dürfte am späten Nachmittag zu rechnen sein. Im Fall einer anklagekonformen Verurteilung drohen der 32-Jährigen zehn bis 20 Jahre Haft.

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