Prozess-Auftakt: Es lief wie geschmiert im Gemeindebau

Prozess-Auftakt: Es lief wie geschmiert im Gemeindebau
Wiener Wohnen: 53 Angeklagte und kein Ende der Verhandlung in Sicht.

Das Gedränge Montagfrüh beim Landesgericht für Strafsachen in Wien ist nicht alltäglich. Zentimeter für Zentimeter schieben sich die Besucher in Richtung der Sicherheitsschleusen. Fast alle haben dasselbe Ziel: den Großen Schwurgerichtssaal

53 Personen, fast ausschließlich Männer, stehen hier seit Montag als Angeklagte vor dem Richter.

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Die Beschuldigten füllen die ersten Reihen des größten Verhandlungssaales. Davor haben ihre Verteidiger Platz genommen. Allein die Überprüfung der Generalien nimmt mehrere Stunden in Anspruch.

7.000 Scheinaufträge?

Den Angeklagten wird Bestechung und Bestechlichkeit im großen Stil angelastet. Es handelt sich zu einem guten Teil um (ehemalige) Mitarbeiter von Wiener Wohnen, außerdem um einen 58-jährigen Geschäftsmann und seine Mitarbeiter. Es sollen Reparaturarbeiten in Gemeindebauten in Auftrag gegeben worden sein, die entweder nie durchgeführt wurden – oder in Fällen, bei denen es gar keine Schäden gab. Im Gegenzug sollen die "Auftraggeber" Tankgutscheine erhalten haben.

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Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die die Vorwürfe auf 44 Seiten aufgelistet hat, beziffert den Schaden mit 170.000 Euro, es geht um rund 7.000 Scheinaufträge.

Der Hauptangeklagte Geschäftsmann leitete eine Glaserei und Malerei, einen Steinmetzbetrieb und mehrere Baufirmen. Er erledigte für Wiener Wohnen die anfallenden Reparaturen in den Gemeindebau-Anlagen. Die Aufträge vergaben die Werkmeister. Und die durften sich immer wieder über Gutscheine freuen. "Die Frage, die wir uns stellen, lautet: Wofür wurden sie belohnt?", fragt der Oberstaatsanwalt.

Und er gibt sofort die Antwort: "Weil die Werkmeister von vornherein gemeldete Schäden nicht überprüft haben, war es ein Leichtes, nicht eingetretene Schäden zu vermelden und dadurch Scheinaufträge zu erstellen." So wurden etwa Kellerfenster verrechnet – für einen Keller, der keine Fenster hat.

Das kaputte Fenster

Dahinter steckt laut Überzeugung der Ankläger System. Man bezieht sich unter anderem auf eine Tonbandaufnahme, die das untermauert: "Wir machen ja gar nix. Außer putzen eventuell" – "Auch net, wenn’s kaputt is?" – "Na, es sind alle kaputt. Wir machen trotzdem nix." – "Zwei Monate später san dieselben wieder kaputt." (...) – "Bei manchen Bauten haben wir, glaub ich, 200 Kellerfenster repariert." – "Und immer wieder dasselbe, gell?"

Zwei Beschuldigte haben ein Geständnis abgelegt. Der Rest bestreitet die Taten. Ein Ende des Prozesses ist nicht in Sicht.

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