"Provokation von Schutzlosen"

Aufräumarbeiten nach Sturm im Audimax
Audimax gestürmt: Die ÖH klagte die rechtsextremen Identitären wegen Besitzstörung.

Sie nannten die Stürmung der Aufführung des Elfriede Jelinek-Stücks im Audimax eine "ästhetische Intervention".

"Aber Flüchtlingskinder mit Blut zu bespritzen ist nicht ästhetisch", sagt die ÖH-Vorsitzende Karin Stanger beim Prozess. Die Hochschülerschaft der Uni Wien hat die rechtsextreme Identitäre Bewegung wegen Besitzstörung geklagt, deren Wiener Obmann Martin Sellner erscheint am Mittwoch mit einer Kappe mit Donald Trumps Wahlslogan auf dem Kopf: "Make America Great Again." Wir befinden uns im Bezirksgericht Wien-Innere Stadt in Erdberg.

Blut verschüttet

"Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene" stand am 14. April vor rund 800 Zuschauern auf dem Programm, dabei fungierten Flüchtlinge als Laiendarsteller. Kurz nach Beginn kaperten 50 Aktivisten die Bühne, entrollten ein Transparent mit der Aufschrift "Heuchler", brüllten Parolen und verschütteten Kunstblut. Die Universitätsprofessorin Sieglinde Rosenberger befand sich im Publikum. "Schauspieler sind davongelaufen, das hat sich mir eingegraben", berichtet sie als Zeugin: "Auch ich hatte Angst, weil ich nicht wusste, was da passiert. Als rote Farbe verschüttet wurde, war mein ersten Gedanke: Blut. Ich habe ein Jelinek-Stück erwartet und keine Provokation von schutzlosen Menschen."

"Provokation von Schutzlosen"
ABD0091_20160727 - WIEN - ÖSTERREICH: Identitären-Sprecher Martin Sellner während einer Kundgebung "gegen Terror" der Identitären Bewegung Österreich am Mittwoch, 27. Juli 2017, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
Martin Sellner (der mit dem Trump-Kapperl) grinst die ganze Zeit hinter halb vorgehaltener Hand. "Finden Sie das lustig?", fragt die Zeugin, erntet einen weiteren Grinser und eine Ermahnung vom Richter.

Im Verhandlungssaal wird ein von den Identitären zusammengeschnittenes Video gezeigt, in dem sie sich der Aktion im Audimax rühmen: "Wir wollen Gesicht zeigen", heißt es da, weshalb dann die Gesichter der Aktivisten abgedeckt sind. "Wir sind keine Nazis", wird verkündet, die unterlegte Musik und der Einmarsch der Truppe ins Audimax lehnt sich aber stark an Szenen aus Dokumentationen der Nazi-Zeit an. Dazu brüstet man sich: "Sie konnten es in einem Saal mit 700 Leuten nicht verhindern, dass 40 auf die Bühne stürmten."

Wer sind die Rechtsradikalen dann, wenn angeblich keine Nazis? "Wir sind Eure Kinder", heißt es.

Stummfilm

Die Identitären behaupten, das Audimax nicht besetzt und es ohne Aufforderung nach einer Minute und fünf Sekunden freiwillig wieder verlassen zu haben. Zur Untermauerung legen sie einen weiteren Film vor, es ist allerdings ein Stummfilm.

Karin Stanger von der ÖH schildert, wie die Aktivisten eine Nebentür aufgedrückt und sie zur Seite gerempelt haben. "Ich habe gerufen: ’Schleichts euch!"

Dass sie aufgefordert worden seien, die Veranstaltung zu verlassen, sei auf dem Video nicht zu sehen, sagt der Anwalt der Beklagten.

"Wenn Ihr Film einen Ton hätte, dann würde man das hören", kontert Stanger. Man habe das Theaterstück nicht fortsetzen können, weil einige traumatisierte Flüchtlinge – darunter schwangere Frauen und Kinder – nicht weiterspielen konnten oder wollten, berichtet sie noch. Das Urteil ergeht schriftlich.

Die Erstürmung von Veranstaltungen scheint bei den Identitären Programm zu sein: Eine Gruppe der rechtsextremen Bewegung stürmte am 9. Juni eine Vorlesung an der Universität Klagenfurt. Nach Angaben der Polizei wurde in dem Hörsaal mit Steinen aus Styropor eine Steinigung inszeniert.

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