Private zahlen Projekte im öffentlichen Raum: Nicht ohne Risiko
So richtig begann es mit der Herrengasse: Die rund 430 Meter lange Verbindung zwischen Michaelerplatz und Freyung wurde 2016 in eine Begegnungszone umgebaut – auf Initiative von und mit Geldern der dortigen Liegenschaftseigentümer. Derartige Kooperationen zwischen Privaten und der Stadt sind auf dem Vormarsch – Stichwort Michaelerplatz und Rotenturmstraße.
Die öffentliche Hand spart mit solchen Modellen Steuergeld. Gleichzeitig schrammt sie am Ausverkauf des öffentlichen Raums entlang.
Profiteure
Wenn Anrainer den Umbau einer Straße bezahlen, wirkt das auf den ersten Blick wie ein Jackpot für alle Beteiligten: Wer – etwa über die Wertsteigerung der Immobilien – direkt von einer Erneuerung des öffentlichen Raums vor der Haustüre profitiert, bezahlt diese auch mit. Die Allgemeinheit bekommt wiederum eine schöne, gut nutzbare Straße – ohne dass die Gemeindekasse belastet wird.
Im Fachjargon heißen solche Kooperationen Public Private Partnership, kurz PPP. Laut Experten sind sie in Österreich seit den 90ern im Einsatz – und das nicht nur in der Stadtgestaltung. Teile von Autobahnen und ganze Schulen wurden bereits nach diesem Muster errichtet.
In Wien verlieh die Herrengasse PPPs Aufwind. „Sie wurde gut angenommen. Seither bekommen solche Modelle einen Lauf. Mein Ziel ist für jede Straße die sachlich beste Lösung“, sagt City-Chef Markus Figl (ÖVP).
Dass so etwas gut ankommt, zeigt sich etwa am nächsten großen Begegnungszonen-Projekt in der Inneren Stadt: Für den 2019 anstehenden Umbau der Rotenturmstraße um elf Millionen Euro sucht die Stadt derzeit private Financiers.
Dem Vernehmen nach könnten lokale Immobilienbesitzer rund 30 Prozent der Kosten tragen – das Planungsressort will diese Zahl allerdings noch nicht bestätigen.
Weitere Projekte mit Anrainer-Beteiligung – wie etwa der Michaelerplatz – sind auf dem Plan:
So willkommen das zusätzliche Budget sein mag, bergen PPPs auch gewisse Risiken. Allen voran besteht die Gefahr, dass Geldgeber nach dem Motto "Wer zahlt, schafft an", agieren und sich einen auf ihre Bedürfnisse zugschnittenen öffentlichen Raum kaufen.
„,Wir haben das bezahlt’, wird bei solchen Projekten immer ein Argument sein,“ warnt etwa Lilli Lička, Leiterin des Instituts für Landschaftsarchitektur an der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU).
Gratwanderung
Bezirkschef Figl sind solche Motive zumindest nicht fremd: „Die Versuchung ist groß, dass manche Protagonisten das so sehen“, erzählt er aus seiner Erfahrung.
"Aber zum Schluss muss die öffentliche Hand entscheiden." Grundsätzlich begrüße er das Engagement der Privaten, aber: „Es ist die Verantwortung der Politik, den Rahmen vorzugeben, damit alle betroffenen mit dem Ergebnis leben können.“
Ähnlich argumentiert das Planungsressort: Dass Private ihren Beitrag leisten, sei positiv, heißt es aus dem Büro von Stadträtin Maria Vassilakou (Grüne). Die Vorgaben und Regeln der Stadtgestaltung – etwa die Abhaltung eines Architekturwettbewerbs – seien aber einzuhalten: „Niemand kann willkürlich herumbauen.“
Das sieht auch Forscherin Lička so: „Für den öffentlichen Raum gibt es Regeln. Die gelten für alle – unabhängig davon, wer zahlt. Ob PPPs gut oder schlecht sind, liegt auch daran, ob jemand, der kein Geld hat, seine Stimme einbringen kann – zum Beispiel im Rahmen einer Bürgerbeteiligung.“
Ein zentrales Kriterium sei außerdem, wie der privat finanzierte öffentliche Raum gestaltet werde. Lička: „Wird so umgebaut, dass er vor allem zahlungskräftiges Klientel anzieht, oder können sich dort alle aufhalten?“
Für Arthur Kanonier vom Forschungsbereich Bodenpolitik und -management von der Technischen Universität (TU) Wien ist ein klarer Verhandlungskorridor entscheidend. „Voraussetzung sind eindeutige Vorgaben, was hinsichtlich öffentlichen Interessen abstimmbar und verhandelbar ist – auch im Sinne der Investoren.“
Kalkulation
Denn auch die Privaten hätten ein großes Interesse an der Kalkulierbarkeit und Rechtssicherheit von Planungsmaßnahmen.
Die Versuchung, dem Partner möglichst viel abzuringen, ortet er auch seitens der Kommunen: „Die Stadt könnte versuchen, möglichst viel abzuschöpfen“, sagt er. „PPPs sollten auf keinen Fall allein zur Geldbeschaffung missbraucht werden. Es braucht klare Regeln.“
Im Fall Michaelerplatz wurde der Rahmen, in dem sich öffentliche Hand und Private bewegen, am Mittwoch diskutiert. Die Anrainer-Initiative präsentierte Figl ihre Pläne, die er nun begutachten will. Bedingung für die Umsetzung sei die ausreichende Einbindung des Bezirks, heißt es aus seinem Büro.
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