Parteitag: Großbaustelle Wiener Volkspartei

Am Samstag muss alles sitzen: Der Perfektionist Markus Figl stellt sich am Parteitag dem Votum von 400 Delegierten.
Knapp dreieinhalb Jahre ist es her, da beging die Wiener ÖVP zuletzt einen Landesparteitag. Damals war es Karl Mahrer, der in das Amt des Parteichefs gehievt wurde. Am Samstag ist es wieder so weit: 400 Delegierte und ein paar honorige Gäste treffen sich, um Mahrers Nachfolger Markus Figl offiziell zu wählen.
Es wird wohl so einiges anders laufen als damals. 2022 mussten die Teilnehmer gehörig schwitzen, da die Klimaanlage ausgefallen war. Amüsant war das nur deshalb, weil die ÖVP den Landesparteitag ausgerechnet in einer Eishalle veranstaltete. Noch dazu ließ man die Delegierten warten, da einige der Granden der Autofahrerpartei bei der Anfahrt in einen Stau gerieten.
Parteitag in Favoriten
Diesmal trifft man sich in der Expedithalle – die ehemalige Ankerbrotfabrik – in Favoriten. Und Figl, dem ein Hang zum Perfektionismus nachgesagt wird, wird wohl pünktlich sein. Dass er ins Schwitzen gerät, lässt sich dennoch nicht ausschließen. Im Vorfeld gab es Ärger über seine Umbauarbeiten in der Partei, deren Präsidium er verkleinern will.
Ob sich der Ärger am Parteitag nochmals entlädt? Unsicher.
Apropos Umbauarbeiten: Figl erbt mit der ÖVP eine Baustelle. Sein Vorteil: Er übernimmt den Job nicht blauäugig und setzte zuletzt Signale, dass er in den nächsten Jahren kräftig umrühren will. „Packen wir’s an“ lautet passenderweise der Slogan, unter dem er die Delegierten zum Parteitag lud. Der Landesparteitag solle der „Spatenstich“ sein.
Was genau Figl anpacken will, darüber wird derzeit nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Der Chef selbst gibt sich wortkarg. Er müsse „den Spannungsbogen“ aufrechterhalten, meinte er im Gespräch mit dem KURIER.
"Zukunftsvision" entwickeln
Er wolle in den nächsten Jahren jedenfalls eine türkise „Zukunftsvision“ für Wien entwickeln und diese den Menschen auch vermitteln, so Figl. Daran sei seine Partei zuletzt gescheitert. So weit, so unkonkret. Und: Er wolle keine „Krawallopposition“ betreiben.
Ja, auch davon wäre man ausgegangen. Den Schlingerkurs seines Vorgängers, der sich zuerst der SPÖ als Koalitionspartner anbot, um dann einen zunehmend scharfen Kurs gegen das „links-linke“ Wien zu fahren, dürfte Figl jedenfalls nicht fortsetzen, raten Funktionäre.
Seine Rede wird also mit Spannung erwartet. Ganz so hemdsärmelig und plakativ wie bei Mahrer, der 2022 auf der Bühne die Geschichte einer – wohl fiktiven – Frau Trude erzählte, die sich angesichts der Kriminalität in der Stadt am Abend gar nicht mehr aus dem Haus traue, wird es bei Figl wohl nicht.
Nicht eingelöstes Versprechen
Auch das – nicht eingelöste – Versprechen Mahrers, dass jeder Wiener bald „seinen“ türkisen Bezirksrat persönlich kennen werde, wird er nicht erneuern.
Der 53-Jährige gilt als Intellektueller, der sich mit Ideologie und Werten der ÖVP profund auseinandersetzt. Deshalb trauen ihm viele in der Partei zu, nachhaltig an Inhalten und Positionen zu schrauben, um in Wien wählbar zu werden.
Figl will die ÖVP als „moderne, bürgerliche Stadtpartei“ positionieren. Was das bedeutet? Man ahnt es: Auch das müsse jetzt „gemeinsam“ erarbeitet werden.
ÖVP will urbaner werden
Input dürfte am Parteitag von Bundeskanzler und Bundesparteichef Christian Stocker kommen, neben Figl einziger Redner auf der Veranstaltung. Er hat seiner Partei kürzlich die Erarbeitung einer bundesweiten „Städtestrategie“ aufgetragen, an der Funktionäre aus mehreren Bundesländern mitarbeiten.
Ebenfalls unter den Ehrengästen ist Bernhard Görg, der bis dato letzte ÖVP-Politiker, der in der Stadt in Regierungsverantwortung war – als Vizebürgermeister von 1996 bis 2001. Seit seinem Rückzug aus der Politik arbeitet Görg als Schriftsteller, sein jüngstes (durchwegs politisches) Bühnenstück feiert diese Woche Premiere.
Zum Zustand seiner Partei findet er klare Worte: „Der Job des Wiener ÖVP-Chefs war immer einer der undankbarsten, derzeit ist er ein Himmelfahrtskommando“, sagt er im KURIER-Gespräch. „Die ÖVP geht durch ein Tal der Tränen.“
Blick in die Geschichte
Figl selbst habe „bis jetzt alles richtig gemacht“, resümiert Görg. Damit er wirklich reüssieren könne, müsse er aber parteiintern „aufgewertet“ werden. Denn: Der Blick in die Geschichte zeige, dass die ÖVP in Wien nur exakt drei Mal erfolgreich gewesen sei – nämlich dann, wenn der Landesparteichef zugleich „bundespolitische Relevanz“ gehabt habe, analysiert Görg.
In den 1960er-Jahren feierte die ÖVP erste Erfolge unter Heinrich Drimmel, der als Unterrichtsminister zu Beliebtheit gekommen war, bevor er als Vizebürgermeister nach Wien kam. Der zweite Aufschwung kam ab Mitte der 1970er-Jahre mit der bundespolitischen Zukunftshoffnung Erhard Busek, dessen „bunte Vögel“ der Wiener ÖVP einen modernen Anstrich gaben.
Den dritten Erfolg feierte die ÖVP schließlich unter Gernot Blümel, der zugleich Finanzminister war und als enger Vertrauter des damaligen ÖVP-Bundeskanzlers Sebastian Kurz auf der Erfolgswelle mitschwamm.

2022 begrüßte Karl Mahrer seinen Vorgänger Gernot Blümel als Ehrengast. Auch jetzt soll der Ex-Minister für Stimmung sorgen.
„Wenn der Wiener ÖVP-Chef nicht bundespolitisch verankert ist, wird er nie auf Augenhöhe mit dem roten Bürgermeister diskutieren können“, sagt Görg. „Markus Figl muss in der ,ZiB2’ sitzen, nicht bei ,Wien heute’.“ Görgs Vorschlag: Im Zuge der „Städtestrategie“ der ÖVP könne die Partei Figl ja zum bundesweiten Städtesprecher machen.
Blümel als Ehrengast
Blümel wird am Landesparteitag übrigens selbst als Ehrengast dabei sein. Auf ihn wird Figl wohl Bezug nehmen, wenn es um die neuen Strukturen geht: Auch Blümel hat einst – unter dem Eindruck der Wahlschlappe von 2015 – die Landespartei und ihre Gremien abgeschlankt.
Generell wird die Dichte an ehemaligen Parteiobleuten hoch sein. Neben Manfred Juraczka und Karl Mahrer, die ja beide noch aktiv sind, hat sich auch der spätere Minister und EU-Kommissar Johannes Hahn angesagt. Figl ist bereits der 16. Wiener ÖVP-Chef seit 1945.
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