Wiens ÖVP-Chef Figl: „Wir sind sicher nicht die Radikalopposition“

Markus Figl, OEVP  Chef Wien, 1010 Wien
Der neue Parteichef der Wiener ÖVP will auf Teamwork setzen und will an der Spitze einer urbanen Stadtpartei stehen.

Die ÖVP hat sich bei der Wienwahl vor rund zwei Wochen halbiert und ist sogar unter die Zehn-Prozent-Marke gefallen. Nach den folgenden internen Streitigkeiten hat sich die Partei auf Markus Figl als Landesparteiobmann geeinigt.

KURIER: Die ÖVP hatte kein gutes Wahlergebnis, in den vergangenen Monaten gab es immer wieder interne Streitereien. Wenn man den Chefposten übernimmt, ist man da Märtyrer, Idealist oder Träumer?

Markus Figl: Das Wahlergebnis kann man nicht schönreden. Es ist ein Weckruf für uns. In dieser dramatischen Situation habe ich mich dazu entschlossen, die Landesparteiobmannschaft zu übernehmen, weil ich einfach glaube, dass die Wiener Volkspartei die Frage beantworten können muss, wohin sich Wien insgesamt entwickeln soll.

Wofür soll die ÖVP mit Ihnen an der Spitze stehen?

Ich glaube, dass die Wiener Volkspartei eine moderne, urbane Stadtpartei ist, die bestimmte Wertvorstellungen hat, die viele Menschen auch in dieser Stadt innerlich vertreten. Werte wie Freiheit, Leistungsbewusstsein und Leistungsgerechtigkeit, auch den Wert des Eigentums und dass die Menschen ein sicheres Leben haben wollen.

Was ist in den vergangenen Monaten falsch gelaufen?

Wir müssen uns jetzt die Zeit nehmen, zu analysieren, warum es zu diesem Wahlergebnis gekommen ist. Da wird es sicher verschiedene Ursachen und Gründe geben.

Sie bleiben auch Bezirksvorsteher der Inneren Stadt. Wie geht sich das aus?

Ich habe hauptberuflichen einen Job, den ich in den letzten Monaten angestrebt habe, für den ich viel und hart gearbeitet habe und wo ich glaube, dass die Menschen das auch so gesehen haben. Das ist der Job des Bezirksvorstehers für die Innere Stadt. Der bietet die Möglichkeit, an den Menschen nahe dran zu sein, dort zu zeigen, wie die ÖVP in den Bezirken gestaltet und was die Volkspartei eben für die Menschen tut. Und das andere ist die Parteiobmannschaft, die als Ehrenamt angelegt ist. Natürlich ist das zusätzlich hart, aber ich war ja auch bisher in der Stadtpolitik engagiert.

Die Innere Stadt ist in der Wahrnehmung vieler Menschen ein Ort, wo nur die Reichen wohnen. Wie holt man dort als Bezirksvorsteher die Menschen aus äußeren Bezirken und aus unterschiedlichen Schichten ab?

Wir haben immer gesagt, dass man in Wien nicht alles über einen Kamm scheren darf. Es gibt verschiedene Bezirke, unterschiedliche Grätzel. Ich glaube, dass diese kleinen Einheiten ganz wichtig und wesentlich sind, weil sie den Menschen auch Heimat geben. In der modernen urbanen Wissenschaft sagt man, dass man in Richtung einer sogenannten 15-Minuten-Stadt gehen soll, wo man im Umkreis alles erreicht, was man zum Leben braucht. Wir sollten Wien auf der einen Seite im Großen und Ganzen denken, auf der anderen Seite auch in diesen kleinen Einheiten. Jörg Mauthe hat in den 1970er-Jahren schon gesagt, man braucht nicht nur eine Stadterweiterung, sondern eine Stadterneuerung.

Stichwort Jörg Mauthe. Was sind Ihre politischen Vorbilder generell und in der ÖVP? Heute ist ja der 60. Todestag Ihres Großonkels Leopold Figl. Oder sind es Alois Mock, Wolfgang Schüssel, Sebastian Kurz? 

Über die Frage könnten wir uns länger unterhalten. Ich kann nicht sagen, dass es nur ein Vorbild gibt. Bei Mock habe ich damals erlebt, dass er gesagt hat, Österreich soll in die Europäische Union hinein, obwohl damals nicht sicher war, ob das tatsächlich eine Mehrheit will. Das finde ich insofern vorbildlich, weil er es geschafft hat, andere Menschen zu überzeugen und mitzunehmen. Politik sollte eben so sein, dass man sich ein Bild macht, dann von etwas überzeugt ist und versucht, auch andere Menschen zu überzeugen.

Markus Figl, OEVP  Chef Wien, 1010 Wien

Markus Figl beim Interview in seinem neuen Büro. 

Sie waren ein früher Förderer von Ex-Kanzler Kurz. Tut man ihm mit den Gerichtsprozessen unrecht? Und wie sehen Sie seine etwaige politische Zukunft?

Was die politische Zukunft von Sebastian Kurz betrifft, muss man ihn selbst fragen. Aber in seiner Zeit ist natürlich vieles geschehen, was sehr typisch für uns ist. Man versucht, die Probleme zu lösen. Gerade im Integrationsbereich sieht man, dass wir nach wie vor sehr viele Themen haben. Ich fand es sehr faszinierend in seiner Anfangszeit, dass man mit Integrationsbotschaftern einen positiven Ansatz hatte, um Integration durch Leistung zu forcieren. Das ist ein guter Ansatz, auf den wir immer noch zurückgreifen können.

Innerhalb der ÖVP haben einige gehofft, dass Sie in Regierungsverantwortung kommen. Das ist jetzt nicht so. Wie werden Sie die Oppositionsrolle anlegen?

Wir sind jetzt sicher nicht die Radikalopposition, sondern wir sind diejenigen, die sachliche Kritik leisten – durchaus harte Kritik, aber immer sachlich. Und wir werden diejenigen sein müssen, die nicht nur sagen, was alles falsch läuft, sondern in welche Richtung sich etwas bewegen soll.

Zusammenarbeit mit der Regierung ist also möglich, wenn ein Vorschlag in Ihrem Sinne ist?

Eine gute Idee bleibt eine gute Idee, egal, von wem sie geäußert wird. Ich würde gerne wirklich Sachpolitik machen. Ich glaube, das ist, was uns auszeichnet. Und auch das, was sich die Menschen erwarten.

Der Wiener Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck ist sehr stark mit der SPÖ vernetzt und auch meinungsstark, was die eigene Partei betrifft. Haben Sie Sorge wegen der Zusammenarbeit?

Wirtschaftskompetenz ist ein Kernbereich von uns. Es ist auch logisch, dass eine Kammer mit der Stadt kooperiert. Ich bin Bezirksvorsteher und in dieser Funktion kooperiere ich natürlich auch in den verschiedensten Themenbereichen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Dinge, die ich kritisiere. Ich war gemeinsam mit ihm in den Sondierungsgesprächen, es gab jetzt schon eine erste Landespartei-Vorstandssitzung und eine weitere Präsidiumssitzung. Von den Beschlüssen und von den Diskussionen her sind wir derzeit in einem guten Einvernehmen.

Die VP-Fraktion ist im Gemeinderat auf eine Elf zusammengeschrumpft: zehn Mandatare und eine Stadträtin. Im Fußball gibt es den Spruch vom zwölften Mann, der helfen muss. Wer ist der zwölfte Mann – der Herr Figl oder der Herr Ruck?

Die Elf werden das schon alles sehr gut machen. Ich glaube nicht an den Wunderwuzzi, sondern jeder hat seine oder ihre Rolle. Die werden wir gut ausfüllen. Und mit Kasia Greco, die ich als Stadträtin vorgeschlagen habe, haben wir eine gute Wahl getroffen. Sie als Frau ergänzt mich als Mann gut, weil wir als Volkspartei diese Breite haben müssen. Sie ist jemand, der aus der Wirtschaft kommt, sie ist jemand, der persönlich sehr fleißig ist, sehr interessiert an Inhalten. Das wird ein wirklich gutes Team werden.

Also die „elf Freunde“, wie es auch im Fußball heißt?

Man gewinnt und verliert nur als Team. Das gilt auch in der Politik.

Ihr Vorgänger Karl Mahrer hat, wie er die Partei übernommen hat, seine Bekanntheit auch mit umstrittenen Videos gesteigert. Wird es von Ihnen auch Videos am Brunnenmarkt geben?

Ich hoffe, Sie sind nicht zu enttäuscht, aber ich bin eher ein Sachpolitiker. Ich werde versuchen, mit Inhalten und Ideen zu überzeugen.

Kommentare