Millionen Pakete: Wie die Postlerinnen und Postler in der Bestell-Flut untergehen

Millionen Pakete: Wie die Postlerinnen und Postler in der Bestell-Flut untergehen
Vor Weihnachten gehen Wiens Postlerinnen und Postler regelrecht in Paketen unter. Sie halten dagegen, so gut es geht. Der KURIER begleitete einen von ihnen.

Die Post bringt allen was, und manchen auch ein bisserl mehr: „Ich liefere hier 20 Pakete pro Woche ab. Manchmal sind die Kartons größer als die Kundin“, erzählt Postler Günter Gruber, während er sich schwer beladen in den 4. Stock schleppt. Zwei Drittel der Bestellungen der Frau würden zurückgehen. Seit Corona keine Ausnahme, betont er. Die Zahlen bestätigen das. Mehr als 1,5 Mio. Pakete wurden heuer in der Vorweihnachtszeit in Österreich zugestellt – an einem Tag.

Arbeitsbeginn: 5 Uhr Früh

Laut Post ein Rekord, der aber nicht lang halten dürfte. „Seit dem Black Friday gehen wir unter“, erzählt Gruber, der seit 40 Jahren „bei dem Verein ist“. Sein Tag beginnt um 5 Uhr in der Früh im Logistikzentrum Hagenbrunn nördlich von Wien. „Quetsch dich durch“, ruft Gruber hinter einem Berg von Paketen. 

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Hagenbrunn, 5 Uhr Früh, es wartet viel Arbeit auf die Postler 

Die riesige Lagerhalle gleicht einem Labyrinth. Man muss sich einen Weg durch volle Container, Fließbänder und Packerl in allen Größen und Formen bahnen, um zum Lieferwagen des 58-Jährigen zu gelangen. Dieser wird bereits beladen. Um sechs Uhr, wenn die Stadt noch schläft, ist Abfahrt Richtung Wien. Im Dunkeln verlassen Hunderte gelbe Trucks im Minutentakt das Gelände. 120 Pakete stellt Gruber für gewöhnlich im 19. Bezirk zu. Im Advent sind es doppelt so viele. „Das Problem ist nicht nur die Menge, sondern die Größe. Ich bring’ die Ware nicht ins Auto.“

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Bis zum Rand werden die Autos befüllt

Tatsächlich sind unter den Lieferungen zusammengebaute Sessel. Bringt ein Postler nicht alle Packerl in seinen Lieferwagen, entsteht ein Rückstau und die Menschen müssen länger auf ihre Bestellungen warten. Für viele ein Problem, wie Gruber weiß: „Ich mach’ meinen Job gerne, aber früher war es schöner.“ Die Leute hätten getratscht, auf einen Kaffee eingeladen oder Trinkgeld gegeben. „Heute werd’ ich gefragt, ob das schon alles ist.“

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Camembert per Post

Abgesehen von der stressigen Weihnachtszeit habe er Spaß an der Arbeit: „Das Schöne ist, ich bin mein eigener Herr. Ob ich um 13 oder 18 Uhr mit dem Zustellen fertig bin, ist meine Sache.“ Gruber, mit seiner 40-jährigen Routine, ist sicher einer der schnellsten in der Belegschaft. In seinem randvollen Truck hat er ein eigenes Beladungssystem. Zwischen Hotels, Supermärkten – ja, Leute shoppen auch im Urlaub online und ja, sogar den frischen Camembert bringt die Post – und Privathäusern fällt es schwer, mit ihm Schritt zu halten. Egal, ob Müllmann, Rezeptionistin oder Gassigeher – der Postbeamte kennt sie alle: „Ich hab’ schon Kindern beim Großwerden zugeschaut, bis ich irgendwann vor ihren eigenen Wohnungen stand.“

Postauto mit Mann, der Pakete ein- und auslädt

Die Postzustellerin meldete sich später als Zeugin (Symbolfoto).

30.000 Schritte pro Tag halten ihn fit, vor allem da viele Wiener Wohnhäuser nicht über Aufzuge verfügen. Die Kehrseite: „Rückenprobleme und Leistenbrüche sind typische Berufskrankheiten.“ Kein Wunder, die Pakete wiegen bis zu 31,5 Kilo und Mehrfachbestellungen sind üblich. „Es kommt vor, dass Leute 200 Kilo Hundefutter bestellen – ohne Aufzug im Haus“, so Gruber. Man sei teils mehr Spedition als Post.

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Beschweren will sich der Wiener, dessen Vater schon bei der Post arbeitete, aber nicht: „Es ist schön, wenn sich die Leute auf Zusendungen freuen und erwartungsvoll die Tür öffnen. Besonders zu Weihnachten.“ Seitens Post, die mittlerweile auf Frächter und Subunternehmen angewiesen ist, heißt es, dass auch in der Weihnachtszeit alle Pakete rasch und zuverlässig zugestellt werden, wenn die Aufgabefristen eingehalten wurden. Für alle, die jetzt noch auf Packerl warten, gibt es also Hoffnung.

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