Paketboom: Abholboxen im Kampf gegen den gelben Zettel

Nicht nur große Händler, sondern auch kleine, lokale Betriebe versuchen sich im Online-Geschäft. Das schlägt sich im Paketaufkommen nieder
Gescheiterte Zustellversuche belasten Umwelt und Nerven. Eigene Kästen in den Häusern könnten das Problem lösen.

Nicht nur bei den aktuellen Corona-Zahlen zeigt sich – leider – das sogenannte exponentielle Wachstum. Sondern auch bei der Zahl der zugestellten Pakete in Wien. Erstmals wird dieses Jahr die magische 100-Millionen-Marke übersprungen.

2019 wurden Wien-weit knapp 96 Millionen Pakete zugestellt, dieses Jahr werden es mindestens 110 Millionen sein. Bis 2025 sind es dann 150 Millionen. Ein Trend, der die Stadt vor Herausforderungen stellt. Und der zwar nicht nur, aber auch mit Corona zu tun hat.

Seit dem Lockdown im Frühjahr sind noch mehr Wiener auf den Trend des Online-Shoppings aufgesprungen. Bestellt mit verstärkt nicht nur bei großen Händlern im Internet, auch lokale, kleine Betriebe versuchen sich vermehrt in der (kontaktlosen) Zustellung.

Ein prägnanter Vergleich: Zwischen der ersten Märzwoche (direkt vor dem Lockdown) und der ersten Aprilwoche hat sich das Versandvolumen knapp verdoppelt. Das zeigen Erhebungen des Standortanwalts in der Wiener Wirtschaftskammer Alexander Biach. Er will nun aktiv werden: „Die massive, nicht abwendbare Steigerung beim Paketaufkommen stellt uns mit Blick auf die Klimaziele vor eine Herausforderung“, sagt Biach.

Paketboom: Abholboxen im Kampf gegen den gelben Zettel

Zukunftsmodell Paketbox: Die Bewohner  holen ihre Pakete mittels Codes oder  App im eigenen Stiegenhaus ab.

Geliefert werden die Pakete zum überwiegenden Teil mit dem Kfz – hohe Treibhausgas-Emissionen inklusive. Problematisch sind vor allem die vielen Leerfahrten und die Nicht-Zustellung von Paketen – also die gescheiterten Zustellversuche an Empfänger, die nicht zu Hause sind. Biach will daher „dem gelben Zettel den Kampf ansagen“, wie er es formuliert. Gelingen kann das etwa mithilfe von sogenannten Abholboxen – idealerweise direkt in den Wohnhäusern.

36 Pakete pro Jahr werden an jeden Wiener ausgeliefert. Das sind doppelt so viele wie im Rest Österreichs. 2019 gab es im Vergleich zu 2018 ein Plus von 9 Prozent bei den Paketsendungen

2,3 Mio. Österreicher kaufen online. In einer Umfrage der Wirtschaftskammer gaben 73 Prozent an, künftig verstänkt im Internet shoppen zu wollen

Funktionierende Systeme gibt es bereits. So betreibt etwa die Firma Renz insgesamt 63 derartige Anlagen in Wiener Häusern. Die Bedienung ist denkbar einfach: Im Stiegenhaus finden sich – ähnlich den Postkästen – die mannshohen Abholboxen. Optisch erinnern sie an jene, die man aus dem Selbstbedienungsbereich von Postfilialen kennt.

Kontaktlose Zustellung

Zusteller (egal welches Unternehmens) können die Päckchen in Fächern unterschiedlicher Größe hinterlegen. Der Bewohner wird digital (etwa per SMS) informiert und kann sich sein Paket mittels Zifferncode oder einer App jederzeit abholen. Das scheint zu klappen: „Die Päckchen liegen im Schnitt nur 0,6 Tage im Fach“, sagt Emanuel Rom von Renz.

Die Wiener Wirtschaftskammer will erwirken, dass der Einbau derartiger Abholboxen in allen Neubauten in Wien verpflichtend ist. „Ein Briefkasten allein ist heutzutage nicht genug“, sagt Davor Sertic, Obmann der Sparte Transport und Verkehr in der Wiener Wirtschaftskammer.

Fahrten reduzieren

Sertic wünscht sich, dass die Abholboxen explizit in der Bauordnung verankert werden. Auch wirtschaftlich wären die Boxen für die Zusteller eine Erleichterung, sagt Sertic. Es bräuchte keine zweiten Zustellversuche mehr.

Eine weitere Möglichkeit, die Anzahl der Zustellfahrten und damit die -Emissionen zu reduzieren, seien Plattformen, auf denen sich (konkurrierende) Zusteller koordinieren, um überlappende Touren zu vermeiden, sagt Margaretha Gansterer, Professorin für Logistikmanagement an der Uni Klagenfurt.

Die -Emissionen, die es einzusparen gilt, sind übrigens durchaus nennenswert: Österreichweit stammen knapp 29 Prozent aller Emissionen aus dem Verkehr. „Der Transport ist ein wesentlicher Emissionstreiber“, so Gansterer. Durch eine moderne Paketlogistik „könnten 30 bis 60 Prozent an Fahrtstrecken und -Emissionen eingespart werden.“

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