Die Meldung grenzte an einen Affront: Ausgerechnet im sonst international für seine Sauberkeit berühmten Wien sollen die öffentlichen Toiletten zu den schmutzigsten Europas gehören, vermeldete die Austria Presse Agentur (APA) Anfang letzter Woche.
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Laut einer Auswertung des britischen Sanitärhändlers "Showers to you" sollen die städtischen Bedürfnisanstalten auf Platz sechs des kontinentalen Dreck-Rankings liegen, unterboten nur von Warschau, Stockholm, Valletta, Madrid und dem Ausscheidungs-Schlusslicht Riga.
Doch kann das wirklich stimmen? Ist die Stadt mit der möglicherweise beliebtesten Stadtreinigung überhaupt gleichzeitig unter jenen mit den dreckigsten Klos überhaupt?
Der KURIER hat die britische Klo-Studie angesichts des heutigen Welttoilettentags einer genauen Prüfung unterzogen und eine eigene Auswertung durchgeführt - der Vergleich macht Sie sicher.
Die erste Frage, die sich stellt, ist natürlich: Wie wurde die Sanitär-Auswertung von "Showers to you" durchgeführt?
"Experten des Unternehmens" haben laut eigener Aussage den Inhalt von mehr als 8.000 Rezensionen zu rund 1.000 öffentlichen Toiletten in Europa auf die Häufigkeit von entsprechenden Schlüsselwörtern untersucht. Anschließend sei für jede Stadt die durchschnittliche Toilettenbewertung, der Gesamt-Sauberkeitswert, ein normalisierter Wert bezüglich der Schmutzigkeit und der Prozentsatz an Negativ-Bewertungen berechnet worden, die "entsprechende Adjektive" enthielten.
Der "Dirty-Score"
Das Ergebnis: Wien liege mit einem "Dirty-Score" von 6,45 von 10 deutlich unter dem angestrebten Niveau. Insgesamt erzielten die öffentlichen WCs der Hauptstadt einen Durchschnittswert von 3,71 (von 5) bei den Google-Bewertungen sowie einen vom Unternehmen ermittelten Gesamt-Sauberkeitswert von 5,49.
Was auf den ersten Blick - mit gutem Willen - nach einer zumindest halbwegs seriösen Untersuchung aussieht, ist in Wahrheit ein Griff ins Klo. Denn bei den untersuchten Adjektiven handelt es sich lediglich um Synonyme des englischen Wortes "dirty" (schmutzig), auf die Suche nach deutschen Ausdrücken wurde von Vornherein verzichtet.
Der KURIER-Häusl-Test
Zudem hält auch die durchschnittliche Google-Bewertung von 3,71 einer Überprüfung nicht stand, der KURIER kam auf einen Durchschnittswert von 4,04 von 5. Wobei freilich auch dieser Wert mit Vorsicht genossen werden sollte, wurden doch nur 78 der 159 städtischen Toiletten überhaupt von Benutzerinnen und Benutzern bewertet und die wenigsten mehr als fünfmal.
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Die methodischen Einschränkungen zeigen sich auch in der Auswertung nach Bezirken. So führen die öffentlichen WCs am Alsergrund und auf der Wieden die Rangliste mit einer durchschnittlichen Google-Bewertung von 5 von 5 an. Am Alsergrund wurde jedoch nur eines von zwei, auf der Wieden das einzig existierende Klo jeweils einmal bewertet - das aber mit dem Maximalwert.
Wie oft die Toiletten geputzt werden, ist je nach Standort unterschiedlich. Mehr als 80 Prozent – nämlich 132 von 159 - der von der MA 48 verwalteten Toiletten sind gratis zugänglich. Ein- bis viermal täglich werden diese Anlagen gereinigt, sagt eine Sprecherin der 48er.
Für 25 Toiletten muss bezahlt werden
Die restlichen 25 Toiletten werden öfter frequentiert und deshalb ständig betreut. Sprich: Das Reinigungspersonal ist zu festgelegten Zeiten immer vor Ort. In diesen Anlagen darf das externe Reinigungsunternehmen ein Benützungsentgelt von 50 Cent einheben, so die Sprecherin. Ausnahmen gibt es aber: Kinder unter 14 Jahren und Personen mit Beeinträchtigungen können die Toiletten kostenfrei verwenden. Armutsbetroffene Personen erhalten Jetons über die mobile soziale Arbeit, die das Entgelt ersetzen. Die Kosten dafür trägt der Bezirk.
In Zeiten außerhalb der Betreuung durch das Reinigungspersonal, etwa in der Nacht, können diese 25 Toiletten von allen ohne Entgelt benutzt werden.
Die Zahl der öffentlichen Toiletten, die von den 48ern betrieben werden, war in den vergangenen Jahren ziemlich konstant. Im Jahr 2015 etwa waren es 154 Anlagen, im Jahr 2020 159. Die Anzahl ist seitdem gleich geblieben.
Zahlreiche weitere Häusl-Träger
Neben den Anlagen der 48er gibt es in Wien zahlreiche weitere Trägerorganisationen. Darunter die Wiener Linien, die ÖBB, der Prater oder die Friedhöfe Wien.
Die Errichtung und Auflassung obliegt den Bezirken. Sie sind es also, die über das Geschäft im öffentlichen Raum bestimmen.
Das Geschäft mit dem Geschäft
Die Kosten für eine Standard-WC-Anlage der MA 48 (mit einer unisex Kabine, einer barrierefreien Kabine und zwei Außenpissoirs) liegt derzeit zwischen 400.000 und 600.000 Euro, so die Sprecherin.
Mit der Errichtung ist es aber nicht getan. 3,8 Millionen Euro sind im Jahr 2022 in die Reinigung investiert worden, so die Sprecherin. Zusammen mit den laufenden Instandhaltungsmaßnahmen (386.000 Euro) und den Kosten für Energie, Kanal, Wasser und den Planungsleistungen (502.000 Euro) beliefen sich die Kosten auf rund 4,7 Millionen Euro.
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