Sie selbst war bereits mit 14 Jahren betroffen, schlief auf der Straße oder bei Freunden. „Ich bin von Zuhause weggelaufen und wollte mich an keine Regeln halten“, erzählt Novotny. Hinzu kamen Drogensucht und ein Gefängnisaufenthalt. „Für den Schritt zur Obdachlosenhilfe braucht es viel Mut. Wer am Tiefpunkt ist, muss sich erst eingestehen, dass er Hilfe braucht.“
Ein gerettetes Leben
Die Einrichtung soll eine lange bestehende Lücke im System schließen: „Wiens Wohnungslosenhilfe ist zwar gut aufgestellt, aber es gibt seit Jahren einen Mangel an Angeboten für junge Erwachsene. Sie rutschen immer wieder durch das Netz. Im Chancenhaus wollen wir sie auffangen“, sagt Novotny.
Dank einer stationär betreuten Wohneinrichtung und Therapie bekam sie ihre Sucht in den Griff: „Das hat mir das Leben gerettet. Inzwischen konnte ich Geld sparen und will in eine eigene Wohnung ziehen.“ Als Peer-Mitarbeiterin hilft sie heute selbst Betroffenen und klärt bei Stadtführungen über Obdachlosigkeit auf.
18- bis 30-Jährige machen ein Drittel aller Wohnungslosen in Wien aus, berichtet Neunerhaus-Geschäftsführerin Daniela Unterholzner: „Sie haben wenig Rückhalt oder kommen aus instabilen Verhältnissen. Wie sollen sie dann mit 18 Jahren plötzlich selbstständig sein? Wenn der erste Lebensweg nicht aufgeht, haben Junge wenig Chancen, einen zweiten einzuschlagen.“
Wohnungslosigkeit werde jünger, Lebenswege brüchiger und die Gefahr, aus dem System zu fallen, größer. Generell bekäme man mehr Anrufe von Menschen, die ihre Rechnungen bald nicht mehr bezahlen könnten. „In kleinere, energieeffiziente Wohnungen zu ziehen, gibt der Markt oft nicht her. Es ist eine Pattsituation.“
Um so wichtiger sei das neue „Chancenhaus“, betont Susanne Winkler, Geschäftsführerin des Fonds Soziales Wien (FSW): „Es bietet mehr als ein Dach über dem Kopf. Obdachlosigkeit darf sich nicht verfestigen, darum ist die rasche Klärung der Perspektiven wichtig.“ Für Betroffene bietet der FSW gemeinsam mit über 30 Partnerorganisationen Beratung sowie Aufenthalts-, Schlaf- und Wohnplätze, in Summe 6.800.
Druck steigt
Laut FSW-Sprecher Jakob Reisinger zeige sich bei der Zahl an betreuten Personen in den letzten drei Jahren noch kein Anstieg, aber: „Der Druck auf die Menschen steigt. Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise 2008 zeigen, dass die Folgen von Teuerungen deutlich zeitverzögert – oft Monate, wenn nicht Jahre später – einsetzen.“
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