Sudern, wenn es längst zu spät ist

Nur in Wien: Christoph Schwarz und Julia Schrenk kommentieren regelmäßig Amüsantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches aus dem Alltag der Stadt.
Der aktuelle Wien-Blog: Was der Konkurs des Kult-Pubs Charlie P's mit den Schwedenbomben vom Niemetz zu tun hat.

Ungefähr 20 Leute kamen am späten Freitagnachmittag zur Wieder-Eröffnung des Wiener Kult-Pubs Charlie P's in der Währinger Straße. Davon 2 (in Worten: zwei) Stammgäste, der Rest war Zufallskundschaft. Touristen nämlich. Die zwei Stammkunden sind extra gekommen. Sie wollen dem Charlie P's die Stange halten, weil es eine Institution ist, erzählten sie dem KURIER. Das Pub hätte gefehlt. Bis zum Abend ist die Zahl der Gäste im Charlie P's allerdings nicht rasend gestiegen.

Das erinnert unweigerlich an den Aufschrei vor mittlerweile sechs Jahren, als bekannt wurde, dass unser aller Schwedenbomben-Produzent Niemetz in den Konkurs geschlittert war. 

Der Niemetz! In Konkurs! Wie kann das sein? In den Tagen nach Bekanntwerden der Pleite rannten die Wiener dem Geschäft am Rennweg die Türen ein. Viele haben zum ersten Mal seit Jahren wieder Schwedenbomben gekauft.

In Wien ist die Aufregung sehr schnell sehr groß, wenn bekannt wird, dass ein Geschäft, eine Bar, ein nettes Lokal zusperren muss. Noch dazu eines, an das man viele Erinnerungen hat. Als die Pleite des Charlie P's die Runde machte, schwelgten plötzlich viele in Erinnerungen. Sie dachten zurück an feuchtfröhliche Abende an der Bar, an ausschweifende Karaoke-Nächte während des Studiums.

Das ist nett, aber auch ein bissl heuchlerisch. Denn dem Charlie P's fehlten die Gäste. Vor allem im Sommer.

Wir können nicht alle drei Jahre ein 6er-Tragerl Schwedenbomben kaufen und uns dann wundern, wenn der Niemetz insolvent ist. Wir können nicht einmal im halben Jahr zum "Lieblingswirten" gehen und dann ganz entsetzt sein, wenn der nicht mehr über die Runden kommt. 

Wer nicht will, dass das nette Lokal, die tolle Bar, das Wirtshaus um's Eck zusperrt, der muss halt auch hingehen. Und nicht sudern, wenn es längst zu spät ist.

Ab sofort kommentieren Christoph Schwarz und Julia Schrenk an dieser Stelle regelmäßig Amüsantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches, das (wahrscheinlich) nur in dieser Stadt passiert.

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