Notruf-Chaos: Retter waren stundenlang nicht erreichbar
Eine Situation, die sich keiner vorstellen möchte: Jemand ist verletzt, es brennt oder man hatte einen Unfall. Die erste Reaktion ist der Griff zum Hörer, man wählt den Notruf und hofft auf rasche Hilfe. Doch dann passiert – wie diesen Montag in ganz Österreich – der Super-Gau: Am andere Ende ertönt nur ein Besetzt-Zeichen.
„Eine Störung dieses Ausmaßes hatten wir noch nie“, sagt etwa Ewald Litschauer von der niederösterreichischen Landeswarnzentrale. In Österreichs größtem Bundesland wird die Feuerwehr Jahr für Jahr zu etwa 70.000 Notfällen gerufen.
Zwar sahen die Retter am Montag, als der Blackout passierte, die anrufenden Nummern auf den Displays aufscheinen – eine Verbindung kam oftmals aber nicht zustande. Die Mitarbeiter der Zentrale mussten zurückrufen. Eine ernste Angelegenheit, denn in machen Situationen zählt jede Sekunde.
Was war passiert? Schuld an dem Ausfall dürfte ein Hardware-Fehler bei „A1 Telekom Austria“ gewesen sein. Gegen 9 Uhr sollen die Störungen im Festnetz, an das auch die Notrufnummern angeschlossen sind, begonnen haben, bestätigt eine Unternehmenssprecherin.
Wählt man eine Notrufnummer in Österreich, wird man über das Festnetz der A1 Telekom in die Notrufzentrale weitergeleitet. „Notrufnummern sind speziell abgesicherte Festnetznummern. Die Notrufträger, etwa Polizei und Feuerwehr, haben zusätzliche Funktionen, mit denen sie die Nummern selbst verwalten können“, sagt ein A1-Sprecher zum KURIER.
Dazu gehört das Verteilen der eingehenden Anrufe an die zuständigen Einheiten und das Installieren von Weiterleitungen während einer Störung. Beim aktuellen Fall hatte das aber nicht reibungslos funktioniert, weil man solche Ersatznummern über die Verwaltungsoberfläche händisch eingeben hätte müssen, was einige Stunden an Arbeit beansprucht hätte, so eine Sprecherin der Stadt Wien zum KURIER.
Bei A1 weist man die Verantwortung von sich: „Wir sind dafür verantwortlich, dass die Festnetzanbindung wieder funktioniert. Die Notrufträger müssen sich in der Zwischenzeit eine eigene Lösung überlegen. Auf das Administrationssystem haben wir keinen Zugriff“, sagt der A1-Sprecher.
„Wir haben einen Krisenstab einberufen. Da Menschenleben in Gefahr waren, haben wir Handlungsbedarf gesehen“, sagt die Sprecherin der Stadt Wien. Man habe in den ersten beiden Stunden trotz des „Totalausfalls des Netzes“ nur spärliche Informationen seitens der Telekom erhalten. Die Mobilfunknummern, die als Ersatz für die Notrufnummern kommuniziert wurden, bleiben sicherheitshalber bis Dienstag 9 Uhr, aktiv.
A1 dementiert, dass es einen Totalausfall des Netzes gab. Es sei lediglich zu teilweisen Ausfällen gekommen. Man habe zunächst versucht, die Situation einzuschätzen und den Fehler über eingespielte Abläufe zu beheben, ohne Panik zu verbreiten.
Das Innenministerium sah sich deshalb sogar veranlasst, eine KAT-Warnung auszusenden. KATWARN ist ein System, das Informationen und Warnungen verschiedener Behörden ortsbezogen per App
auf Handys überträgt. Das geschieht in Österreich eher selten. „Zusätzlich haben wir und die Blaulichtorganisationen versucht, über die sozialen Medien zu informieren“, sagt Christoph Pölzl, Sprecher des Innenministeriums. Er verweist in solchen Fällen auf die europäische Notrufnummer 112 – die habe störungsfrei funktioniert.
App und Ersatzhandys
Dass die Blaulicht-Organisationen auch für derartige, selten auftretende Situationen durchaus gerüstet sind, zeigt Notruf 144 Niederösterreich, eine der größten Leitstellen im Bereich der Gesundheits- und Notrufdienste. Hier wurde schon vor einiger Zeit die „144 Notruf“ App entwickelt, die bundesweit funktioniert.
Beim Drücken auf den Alarmbutton werden automatisch die Position, der Name und die hinterlegten Infos an die Rettungsleitstelle übermittelt und es wird ein in der Leitstelle priorisierter Sprachanruf zu einer nur für Notrufe via App reservierten Rufnummer ausgelöst.
Die einzige Berufsrettung Österreichs in Wien reagierte ebenfalls gefasst: „Wir haben immer Handys in der Lade liegen, die haben wir dann aktiviert“, sagt ein Sprecher. Das sei in solchen Situationen ein normales Prozedere.
Diese Ersatznummern wurden von Rettung und der Stadt verbreitet. Zudem wurde empfohlen, im Notfall die nächstgelegene Rettungs-, Feuerwehr oder Polizeidienststelle aufzusuchen. Untereinander verbanden sich die Organisationen per Funk. „Das funktioniert netzunabhängig“, bestätigt das Innenministerium.
Seitens der Telekom konnte der Schaden relativ rasch identifiziert werden. „Jedoch dauerte es dann eine Weile, bis die Systeme wieder lückenlos liefen“, erklärt die Sprecherin. Gegen 13.56 Uhr dürfte dies der Fall gewesen sein. Eigentlich gebe es für solche Störungen ein Backup. „Wir sind gerade bei der Fehleranalyse, warum dieses nicht gegriffen hat“, heißt es von A1.
Ob es durch den Netzausfall zu nicht beantworteten Notfällen kam, konnte am Montag nicht bestätigt werden – zumindest Beschwerden habe es noch keine gegeben.
Kritik an Telekom
Kritik gab es seitens einiger Blaulichtorganisationen jedoch an der späten Kommunikation durch den Netzbetreiber. „Wir sind selbst darauf gekommen, dass da etwas nicht stimmen kann“, schildert etwa der Sprecher der Wiener Feuerwehr, Christian Feiler. Dann hätten sie ausprobiert, welche Nummern noch funktionierten, um diese ersatzweise zu verwenden. Selbst die Stadt Wien und das Innenministerium seien verspätet zugezogen worden.
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