Neuer Zoo-Direktor: „Jeder sollte einmal Elefanten riechen“

Neuer Zoo-Direktor: „Jeder sollte einmal Elefanten riechen“
Stephan Hering-Hagenbeck, der neue Chef des Tiergarten Schönbrunn, sieht den Zoo als „letzte Naturbildungsstätte“

Sein Amtsantritt ist in zwei Monaten – die ersten Tiere hat er aber bereits gefüttert: Der Deutsche Stephan Hering-Hagenbeck wird im Jänner als Geschäftsführer des Tiergarten Schönbrunn auf Dagmar Schratter folgen, die in Pension geht. Der 52-jährige promovierte Biologe hat bis Ende 2018 den Tierpark Hagenbeck in Hamburg geleitet und weltweit Tiergärten beraten. Dem KURIER erzählt er, wohin es mit Schönbrunn gehen soll.

KURIER: Zoodirektor – das ist ein Beruf, den man als Kind gern ins Stammbuch schreibt. Wollten Sie immer schon Zoodirektor werden?

Stephan Hering-Hagenbeck: (lacht) Tiere haben mich jedenfalls immer schon fasziniert. Ich hatte mit sechs Jahren meine erste Schlange, in Südafrika, wo ich aufgewachsen bin. Und meine Mutter musste Schildkröteneier im Ofen ausbrüten.

Neuer Zoo-Direktor: „Jeder sollte einmal Elefanten riechen“

Die Leidenschaft war also von Anfang an da?

Auf jeden Fall. Ich habe Biologie studiert und in Parasitologie promoviert. Es hat mich immer interessiert, wie die es geschafft haben, über Jahrmillionen auf dem Planeten zu bestehen. Im zoologischen Garten spielt das natürlich keine Rolle.

Apropos zoologischer Garten. Ihr Vor-Vorgänger Helmut Pechlaner hat Schönbrunn modernisiert, Dagmar Schratter hat ihren Schwerpunkt auf die Forschung gelegt. Was ist Ihr Fokus?

Das Tiererlebnis. Es geht darum, dem Tier auf begrenztem Platz einen möglichst optimalen Lebensraum zu gestalten.

Wie kann das aussehen?

Das sind oft Kleinigkeiten. Ein Beispiel: In einem anderen Zoo hatten wir Nasenbären, und neben ihrem Gehege stand eine Platane. Wir haben mit einem Baumstamm eine Brücke vom Gehege zur Platane gelegt, die die Nasenbären nutzen konnten. Für Besucher ist das toll, weil sie so noch näher an den Tieren dran sind. Und für die Tiere ist es toll, sich näher am natürlichen Lebensraum zu bewegen.

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Sind Gehege eigentlich noch zeitgemäß?

Für mich ist der zoologische Garten zeitgemäßer denn je. Es gibt immer mehr Millionenstädte, in denen die Leute nicht mit der Natur in Berührung kommen. Dementsprechend wird unsere Sensibilität dem Tier gegenüber unnatürlicher. Und das motiviert mich. Der zoologische Garten ist im urbanen Raum die letzte Naturbildungsstätte. Wenn man einen Elefanten gerochen hat, das vergisst man ein Leben lang nicht. Das sollte jeder einmal erleben.

Das rechtfertigt die engen Räume?

Wenn wir einen Tiger erleben wollen, dann müssen wir ihn dressieren oder er braucht ein Gehege. Es kommt übrigens nicht nur auf den Platz an, der zur Verfügung steht. Ich habe lange im Krugerpark gearbeitet (das größte Wildschutzgebiet Südafrikas). Der Park hat 1,9 Millionen Hektar und drumherum einen Zaun. Selbst dort fühlt sich ein Elefant von der Begrenzung behindert, wenn er am Zaun steht. Es ist ihm dann egal, ob er Millionen Hektar hinter sich hat, auf denen er sich bewegen könnte. Ein Leben in absoluter Freiheit wird es nie geben.

Gibt es Tiere, die nicht mehr in den Zoo gehören? Großkatzen, zum Beispiel?

Diese Ansage werden Sie von mir nicht hören, damit würde ich mich selbst abschaffen. Man kann jedes Tier in menschlicher Obhut gut halten. Wir sind uns nur meistens nicht darüber bewusst, dass es nicht nur darum geht, ein möglichst teures und großes Gehege zu bauen ...

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Sondern?

Sondern darum, das Tier optimal zu beschäftigen und zu pflegen. Der Nasenaffe, zum Beispiel, frisst nur Mangrovenblätter. Da muss mir klar sein: Wenn ich nicht das Geld habe, diese Blätter jeden Tag einfliegen zu lassen, oder das aus Nachhaltigkeitsgründen ablehne, dann ist dieses Tier für mich nicht zu halten.

Eine Frage, an der kein Zoodirektor vorbeikommt: Welches ist Ihr Lieblingstier?

Ich habe zwei Hunde als Familienmitglieder. Darüber hinaus faszinieren mich Pinguine. Es ist toll, wie sie sich an ihren Lebensraum angepasst haben, mit ihren kurzen Beinchen, die ihnen die Möglichkeit geben, irrsinnig lange zu schwimmen. Damit sind wir wieder beim Parasiten, der alles andere als schön aussieht, aber auch ein Lieblingstier von mir ist. Es ist faszinierend, wie er unter schwierigsten Bedingungen überlebt.

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