Neue Stadtführung: In stillen Höfen und Wiens einstiger Judenstadt

Der Innenhof im Alten Rathaus: Elisabeth Wolf hat die Geschichte, Hintergrundwissen und  viele Anekdoten parat
Bei der Tour lernt man nicht nur „zauberhafte Innenhöfe“ kennen, sondern auch, welche Geschichten alte Häuser und Straßennamen erzählen.

So manche Bezeichnung wirft Fragen auf: Hat der Name Tuchlauben etwas mit Betuchten zu tun? Wieso ist eine Gasse in der Wiener Innenstadt nach Paris benannt? Und warum gilt Weihnachten als stillste Zeit des Jahres, wenn die Termindichte im Kalender gefühlt zu keiner anderen Jahreszeit höher ist?

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Was die Stille betrifft: Es gibt sie, trotz Weihnachtstrubels, etwa in einem Hof hinter der Tuchlauben. Hier startet die neue Tour von Fremdenführerin Elisabeth Wolf.

Ein ruhiger Innenhof hinter der Hausnummer Tuchlauben 17

Ein ruhiger Innenhof hinter der Hausnummer Tuchlauben 17

Sie heißt „Noch mehr zauberhafte Innenhöfe“, führt aber nicht nur in diese, sondern humorvoll in Wiens Vergangenheit.

Der Name Tuchlauben verrate bereits viel, erzählt Wolf.

 „Hier residierten einst die Tuchmacher.“ In den Lauben, also in Arkadengängen, wurden Stoffe zum Verkauf angeboten. Es handelte sich um eine wohlhabende Zunft: „Deshalb spricht man heute noch von ,betuchten’ Leuten.“

„Kopf hoch“

Das inoffizielle Tour-Motto lautet übrigens „Kopf hoch“, im wortwörtlichen Sinn: „Blicken Sie in die Höhe, achten Sie auf Details“, fordert Wolf auf, deutet auf Pawlatschengänge aus Holz, die so typisch für Wien sind, und auf das alte Holztor.

„Dass das Tor nicht mittig liegt, verrät uns übrigens, dass das Haus vor dem Barock erbaut wurde“, so Wolf. Denn erst im Barock wurde das Wohnen repräsentativer und die Harmonie der Fassade somit wichtiger.

Freilich, die Innenhöfe in der Stadt waren früher weniger romantisch: Hier lagen Toiletten und Gesindewohnungen, es roch oft übel und war gatschig.

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Doch zumindest ruhig dürfte es in der Vorweihnachtszeit schon damals gewesen sein: „Früher galt sie als Fastenzeit. Da gab es keinen Tanz, keine Hochzeiten. Daher sprechen wir heute noch von der stillsten Zeit des Jahres“, erklärt Wolf.

Wiener Wappen oder Schweizer Flagge?

Eine weitere Station der Tour ist die Jordangasse, und wer dem Motto („Kopf hoch“) folgt, entdeckt auf einem Schild, dass sich hier das Sterbehaus des Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach befindet.

An einer Ecke der Jordangasse lebte  und starb Architekt Fischer von Erlach

An einer Ecke der Jordangasse lebte und starb Architekt Fischer von Erlach

Gleich um die Ecke liegt übrigens das von ihm gestaltete Alte Rathaus – samt prächtigem Innenhof, natürlich auch ein Stopp der Tour: Man kann hier etwas lernen („der Andromedabrunnen zählt zu den künstlerisch wertvollsten der Stadt“, so Wolf), aber auch lachen („ein Schweizer Gast hielt das Wiener Wappen für die Schweizer Flagge“).

Jordan und Paris

Doch zurück zur Jordangasse: Einst hieß sie Judengasse und lag am Rande der Judenstadt. „Die war im Mittelalter ein eigener Stadtteil, aber kein Ghetto“, betont Wolf. Der heutige Name kommt daher, dass hier einst das Haus „Zum großen Jordan“ stand, benannt nach einem ehemaligen Hausbesitzer.

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Ähnliches gilt übrigens für die Parisergasse, die nicht nach der Stadt, sondern nach dem Haus „Zum Paris“ benannt ist – womit wiederum der Paris aus der griechischen Mythologie gemeint war.

Die Jordangasse in der City: Einst befand sich hier die Judenstadt

Die Jordangasse in der City: Einst befand sich hier die Judenstadt

Man müsse sich vorstellen, dass Wien früher viel kleiner war, erläutert Wolf: Anstelle von Straßennamen reichten die Namen markanter Häuser zur Orientierung.

Wo die Turmuhr des Stephansdoms zu finden ist

Sind ein paar Fragen beantwortet, folgt schon die nächste: „Wissen Sie, ob der Stephansdom eine große Turmuhr hat?“, möchte Wolf wissen. (Wer das Kopf-hoch-Motto nicht immer beherzigt, ist möglicherweise um eine Antwort verlegen.)

Und tatsächlich, verrät die Fremdenführerin, befindet sich am Turm selbst keine große Uhr mehr. Sie wurde 1861 im Zuge einer Restaurierung ausgebaut. Heute findet man das 700 Kilo schwere Exemplar im Uhrenmuseum, gleich hinter der Parisergasse.

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Es gibt noch viel zu entdecken: alte Zunftschilder, goldene Kanonenkugeln, ein buntes Pferd. Sogar ein Fresko mit anzüglichen Darstellungen. Doch wer mehr wissen möchte, sollte (so es der Terminkalender zulässt) selbst auf Tour gehen.

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