Wanzen-Affäre: Staatsposse um alten Lautsprecher
Der "demokratiepolitisch äußerst bedenkliche Abhörskandal" (O-Ton Vizekanzler Heinz-Christian Strache) entpuppt sich nun tatsächlich als Fund einer relativ harmlosen Lautsprecheranlage. Gefunden wurde das "veraltete Gerät" von Mitarbeitern der Abteilung C des Abwehramts. "Die Kompetenz der Jungs von der Hetzgasse bei der Aufdeckung von illegalen Abhöranlagen in Österreich ist einzigartig", sagt ein hochrangiger Offizier. "Die machen das routinemäßig und checken auch unsere Botschaften im Ausland. Da wird jeder Zentimeter in einem Ministerbüro abgesucht."
Abhöranlage fehlte
Im Palais Dietrichstein fanden die Mitarbeiter des Abwehramtes einen meterlangen Kabelsalat hinter einer Spiegelwand. Die Experten maßen zunächst in den Kabeln Strom und Spannung, an einem langen Kabel fanden sie eine Abzweigung mit einem uralten Lautsprecher. Wie jeder Schüler schon im Physikunterricht lernt, kann man die Lautsprechermembran auch umgekehrt als Mikrofon einsetzen, um Gespräche in einem Raum zu belauschen.
Theoretisch waren die sichergestellten Kabel und Lautsprecher voll funktionsfähig, für eine Übertragung von Gesprächen müsste aber am Ende der Leitung ein Computer, ein Sender, ein Handy oder eine Abhöranlage montiert sein.
"Am Ende der Leitung war aber keine Abhöreinrichtung angeschlossen", konstatierte der Verfassungsschutz.
"Der Vizekanzlers war gar nicht da und sein Büro hat dem Fund zunächst keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt", berichtet ein Insider des Innenministeriums, der in die Vorgänge eingeweiht ist. "Die akute Abhörgefahr war, als man das Gerät gesehen hat, nicht in den Köpfen der Mitarbeiter verankert. Dann dürfte etwas passiertsein , was wir aus der Vergangenheit kennen: Man kann einen gewissen Sympathieeffekt erzielen, wenn man sich als Opfer darstellt."
Das Kabelnetz
Ein ehemaliger Mitarbeiter im Kabinett von Ministerin Barbara Prammer erinnert sich an die Lautsprecheranlage aus dem Parlament, die bis in das Jahr 2000 im Frauenministerium im Palais verwendet wurde.
"Meist ist der Pressesprecher vor dem Lautsprecher gesessen, hat das Geschehen im Parlament mitgehört und hat irgendwann gesagt: ,Frau Minister, jetzt ist es Zeit ins Parlament zu fahren’", erzählt der Ministerialbeamte. "Was Herr Matzka dem KURIER erzählt hat, ist nachvollziehbar. Alle Ministerbüros waren mit diesen Übertragungsanlagen ausgerüstet, manche hatten sogar mehrere." Die Büros der Minister wurden damals regelmäßig von Polizisten mit Hunden durchsucht.
Bei der Staatsanwaltschaft Wien gibt man sich zugeknöpft. Der Erste Staatsanwalt Thomas Vecsey bestätigt nur, dass ein Kurzbericht des Verfassungschutz (BVT) vorliegt und die Ermittlungen laufen. Diese betreffen unbekannte Täter und drehen sich um einen etwaigen Verdacht des Missbrauchs von Tonaufnahmen- oder Abhörgeräten, der Ausspähung von Staatsgeheimnissen und des Geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs.
Straches Vorgänger in dem Büro, Ex-Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) fordert nun Aufklärung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Drozda will den Unterausschuss des Innenausschusses im Parlament einberufen. Neben Kickl soll auch Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) vorgeladen werden. Drozda spricht von einer "Staatsoperette" und erwartet "eine minutiöse Aufklärung".
Im Verteidigungsministerium beharrt man darauf, dass die "Anlage" funktioniert hätte. "Es wurde im Zuge dieser Überprüfung eine technische Einrichtung gefunden, die es zulässt, Gespräche aus diesem Raum zu übertragen", teilte Oberst Michael Bauer am Freitag mit. Im Büro Strache wurde betont, dass man aufgrund laufender Ermittlungen nichts sagen dürfe, es aber sehr wohl einen Wanzenfund gab. Man hält es aber mittlerweile für möglich, dass "der Angriff" einem Strache-Vorgänger gegolten habe.
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