Der Ablösepoker um die Wasabi-Nuss

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Am Naschmarkt werden mittlerweile horrende Ablösen gezahlt. Das Marktstandl als Spekulationsobjekt?

Susanne Jerusalem kann die getrockneten Datteln, die verdächtig gelb leuchtenden Ananas-Stücke und die Mozart-Souvenirs nicht mehr sehen. „Von Vielfalt kann am Naschmarkt keine Rede mehr sein“, sagt die Grüne Bezirkspolitikerin aus Mariahilf. „Wenn’s so weitergeht, gibt dieser Traditionsmarkt bald seinen Geist auf.“

Der Ablösepoker um die Wasabi-Nuss
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Jerusalem ist nicht die Einzige, die die Entwicklung des städtischen Marktes mit Argwohn beäugt. Anrainer Peter Jaschke gründete vor einem Jahr die Facebook-Gruppe „Rettet den Naschmarkt“. Beide machen vor allem zwei Probleme zwischen Linker und Rechter Wienzeile aus: „Die Stadt schaut zu, wie hier im Hintergrund mit städtischen Standln um Hundertausende von Euros gepokert wird“, sagt Jerusalem. „Einige wenige teilen sich den Markt untereinander auf.“ Jaschke meint: „Seit das Marktamt 2006 aufgehört hat, das Waren-Angebot zu steuern, verkommt der Naschmarkt zur Touristenhochburg. Trockenfrüchte und Wasabi-Nüsse Ende nie.“

Schwere Vorwürfe

Das Gerücht, dass die Ablösen für die Stände – von denen immerhin zwei Drittel der Stadt direkt gehören – astronomische Ausmaße erreicht haben, gibt es schon lange. Doch kaum einer spricht offen über jene Beträge, die hier den Besitzer wechseln. Der KURIER stieß nun auf eine jener seltenen Annoncen, bei der die Summe öffentlich genannt wird: Für einen Marktstand wird da eine Ablöse von 600.000 Euro verlangt (siehe Faksimile unten). Vergleichbare Eigentumswohnungen sind in dem Szenegrätzl in der Regel um die Hälfte zu haben.

Der Ablösepoker um die Wasabi-Nuss
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Dem Vernehmen nach soll derzeit auch ein Gastrolokal zum Verkauf stehen – bereits zum zweiten Mal innerhalb sehr kurzer Zeit. Kolportierter Verkaufspreis: 1,1 Millionen Euro. „Man muss lange Brot aus der Region verkaufen, um sich solche Ablösen leisten zu können“, argwöhnt Jerusalem. Zudem stellt sich die Frage, warum die Stadt für millionenschwere Marktsanierungen aufkommen soll, wenn Private gleichzeitig mit der Weitergabe von städtischem Eigentum viel Geld verdienen? Anders als bei der privaten Weitervergabe von Gemeindewohnungen sind Ablösen für Marktstände nicht gedeckelt. Das Marktamt kümmert nicht, wie hoch die Summen sind, die ein Standler von seinem Nachfolger, den er selbst aussuchen kann, bekommt. In Wiens Shoppingcentern mögen Manager ein Auge auf den Branchenmix haben, am Naschmarkt kommt stets und schlicht der Bestbieter zum Zug.

„Keine Spekulation“

Angelika Herburger, Sprecherin der Marktstandler, sagt: „Die Ablösen sind sicher hoch. Immobilienspekulation durch Fremdinvestoren schließe ich aber aus. Das beweist auch die geringe Fluktuation unter den 123 Ständen.“ Wie hoch die Preise aber sind, will auch sie nicht verraten. „600.000 Euro werden für einen Marktstand aber sicher nicht bezahlt“, sagt Herburger nur. Alexander Hengl vom Marktamt argumentiert ähnlich: „Die Ablösen mögen hoch sein, doch die Standler haben wegen des Denkmalschutzes oft auch sehr viel Geld investiert.“ Aufgrund der Gewerbeordnung könnte die Stadt auch gar keinen Einfluss auf die Ablösen nehmen.

Der Ablösepoker um die Wasabi-Nuss
Bernt Elsner, Jurist der renommierten Kanzlei CMS, sieht das anders. Er sagt, die Gewerbeordnung sei lediglich eine regulatorische Norm, von denen Miet- und Pachtrecht unberührt seien. „Wenn ein politischer Wille besteht, ist es juristisch sicher möglich, Einfluss auf künftige Verträge und damit letztlich auch auf die Ablösen zu nehmen.“ Im Büro von Stadträtin Sandra Frauenberger (SP) heißt es hierzu nur: „Nach unserem Wissensstand ist ein Eingriff in die Ablösen für die Stadt keine Option. Die Wiener Märkte regeln sich nach den Prinzipien der freien Marktwirtschaft.“ Hengl ergänzt: „Bis zum Jahr 2006 hat das Marktamt Einfluss auf das Warenangebot genommen. Mit dem Ergebnis, das Stände leerstanden.“ Die Stadt gab vor, wer was anbieten darf. „Wegen solcher Zuweisungen hat etwa der Simmeringer Markt nicht überlebt.“

Seit sieben Jahren wacht deshalb just im roten Wien die unsichtbare Hand des Marktes über das große Angebot von Wasabinüssen und die offenbar geringe Nachfrage nach frischem Obst.

Vorschläge, die Standler in Bezug auf ihre bestbietenden Nachfolger machen, nickt das Marktamt meistens ab. „Die Märkte“, sagt Hengl, „regulieren sich selbst.“

123 Marktstände sind auf dem Naschmarkt. Der Stadt gehören zwei Drittel davon. Das dritte Drittel wurde als Superedifikat quasi verkauft.
Verbaute Fläche: 6200 m².
Zuweisung: Ein Drittel Gastronomie, 250 m² Waren aller Art (u. a. Souvenirs), restliche Fläche Lebensmittel.
70 Firmen oder Privatleute als Gewerbeinhaber tätig.
2006 Novelle, die Marktordnung sieht nun vor: Angebot und Nachfrage sollen Geschehen regeln.

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