1901 landete sie bei Marosis Urgroßvater, der zum letzten Mal umzog, vom Hohen Markt ein paar hundert Meter weiter in die Wipplingerstraße, in ein damals neu errichtetes Jugendstilhaus. „Eine bescheuerte Idee“ nennt Marosi den Umzug an den viel frequenzschwächeren Standort aus heutiger Sicht.
Damals war es freilich das aufstrebende jüdische Textilviertel der Stadt. An der Einrichtung sieht man das bis heute: Hohe, dunkle Holzregale und Schubladenkästen an den Wänden, ein wunderschöner Jugendstil-Luster in der Mitte des Raumes. Der Verkaufsraum atmet Geschichte, genauso wie der 670 Jahre alte Name.
Der heute auf Widerstand stößt, ursprünglich aber wertschätzend gemeint war, erzählt Marosi. In Zeiten, in denen die europäische Medizin noch im dunkelsten Mittelalter feststeckte, kam die moderne Heilkunde aus dem Orient, die Heilmittel aus Äthiopien - und dafür stand damals der Mohr, „für etwas sehr Schönes“.
Denn, so Marosi, es müsse ja „jedem einleuchten, dass man sein Geschäft auch im Mittelalter nicht nach einem Schimpfwort benannt hat. Niemand benennt sein Geschäft absichtlich grauslich, das ist wohl ebenso logisch wie, dass niemand heute ein neues Geschäft so nennen würde.“
Andere Zeit
Dennoch sei es nun wohl an der Zeit, „eine Notiz in der Geschichte zu machen“ und die Apotheke umzubenennen. Den Ausschlag dafür gab ein Gespräch mit der stv. SPÖ-Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt, Mireille Ngosso, und Noomi Anyanwu, zwei Organisatorinnen der „Black Lives Matter“-Demonstration in Wien. Konstruktiv sei das Treffen gewesen, und „genau der positive Dialog, den ich mir von Anfang an erwartet hätte“.
Aus der Auslage ist der Mohr schon vergangene Woche verschwunden und durch eine Tafel mit der Geschichte des Namens ersetzt worden. Denn „dass das Leute verletzt, ist für mich nachvollziehbar“, sagt Marosi. „Das muss man auch respektieren.“ Nicht umsonst ist sie auch selbst bei der „Black Lives Matter“-Demonstration mitgegangen. Aus dem Logo der Apotheke hat sie den Mohren bereits nach ihrer Übernahme verbannt und durch einen Mörser ersetzt – aus eigenem Antrieb.
Nun sind die Tage des Mohren auch im Namen der Apotheke gezählt. Wobei das nicht von einem Tag auf den anderen gehen wird, wie Marosi betont: „Es ist eine etablierte Marke, wir haben sehr viele Eigenprodukte, das ist ja ein irrsinniger finanzieller und organisatorischer Aufwand.“
Doch einer, der es ihr Wert ist, aus Rücksicht auf die Gefühle derjenigen, die sich davon beleidigt fühlen. „Ich glaube, dass es an der Zeit ist, negativ behaftete Worte, die diskriminierend auf Menschen wirken, zu verändern“, sagt sie.
Dialog statt Konfrontation
Nur, wie es dazu gekommen ist, gefällt ihr nicht. „Wie man sieht, bin ich absolut gesprächsbereit, daher hätte ich es viel schöner gefunden, wenn man von Anfang an den Dialog mit mir gesucht hätte. Das wäre die viel elegantere Lösung gewesen. Gemeinsam.“ Davor, verletzt zu werden, ist eben niemand gefeit.
Weitererzählen will sie die Geschichte der Herkunft des Mohren und damit die Geschichte der orientalischen und afrikanischen Medizin trotzdem. Genauso wie die jüdische Geschichte und auch die Geschichte der Arisierung der Apotheke während der Nazi-Zeit.
Turbulentes Jahr
„Ich will die Geschichte ja nicht löschen“, betont Marosi. Aber vielleicht sei es einfach das Jahr der Veränderungen. Sie tue sich trotz allem etwas schwer, weil der Umsatz durch die Corona-Krise ohnehin eingebrochen sei und viele Kunden sie darin bestärken würden, dem Druck nicht nachzugeben und den Namen beizubehalten.
„Aber ich bin Gott sei Dank jemand, der nach ersten kurzen Schockmomenten versucht, alles positiv zu sehen. Und ich verstehe das Anliegen ja.“ Früher habe sie sich gegen Antisemitismus und Sexismus eingesetzt. Vielleicht sei das jetzt einfach der nächste Schritt.
„Sichtlich ist es mir nicht vergönnt, einmal ein ruhiges Apothekerdasein zu führen“, seufzt sie.
Damit wirkt Teresa Marosi, derzeit noch die Mohrenapothekerin, aber gar nicht unbedingt unglücklich.
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