Nach Camp-Räumung: Debatte um Notwendigkeit der Stadtstraße neu entfacht
Nach der Räumung des Protestcamps auf dem Baustellenareal der geplanten Stadtstraße in Wien-Donaustadt ist nun die Debatte um die Notwendigkeit des Projekts erneut entfacht. Verkehrsplaner Günter Emberger von der TU Wien unterstrich zwar, dass es unbestritten sei, dass Stadtentwicklungsprojekte eine Adaption der Verkehrsinfrastruktur bedingen. Aber: Die Stadtstraße müsse nach der Absage des Lobautunnels neu evaluiert und es müsse nach Alternativen gesucht werden.
In einer Aussendung des Wissenschaftsnetzwerkes "Diskurs" verwies Emberger darauf, dass die Stadtstraße einst als zusammenhängendes Projekt mit dem Lobautunnel, S1 und S1-Spange geplant worden sei, aber: "Nach der gerechtfertigten Absage dieser Projekte muss aus verkehrsplanerischer Sicht auch die Stadtstraße neu evaluiert werden!"
Selbst auferlegte Smart-City-Strategie
Im Zuge dessen erinnerte Emberger auch daran, dass die Stadt Wien sich in ihrer Smart-City-Strategie selbst das Ziel auferlegt habe, bis 2030 den Anteil des motorisierten Individualverkehrs auf 15 Prozent zu senken und jenen des Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehrs auf 85 Prozent anzuheben. Im gleichen Zeitraum wolle die Stadt den Pkw-Anteil der Einpendler halbieren. Auch der Bund habe sich im Mobilitätsmasterplan 2030 das Ziel gesetzt, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs von derzeit über 60 Prozent auf unter 40 Prozent im Jahr 2040 zu senken.
Wolle die Stadt Wien ihren Plan umsetzen, so müsse sie den Straßenverkehr in Wien um fast 40 Prozent reduzieren - und das innerhalb von neun Jahren, rechnete Emberger in der Aussendung vor. "Um diesen Wandel erreichen zu können, muss der Verkehr auf allen Ebenen in Richtung einer Bevorzugung umweltfreundlicher Verkehrsmittel wie Öffentlicher Personennahverkehr, Rad- und Fußverkehr umgestaltet werden." Weiters bedürfe es auf Stadt- und auch auf Bundesebene fiskalischer und regulatorischer Anpassungen.
Alternativer Vorschlag
Um das konkret auf die Donaustadt umzumünzen, so sieht Embergers Vorschlag für eine klimagerechte Verkehrserschließung des Bezirks folgendermaßen aus: Der Verkehrsplaner plädierte für den Ausbau der Schnellbahnlinie 45 (Schließen des S-Bahn-Rings um Wien über Kaiserebersdorf und Hafen Wien), die Reaktivierung der Laaer Ostbahn zwischen Erzherzog-Karl-Straße und Süßenbrunn für Personennahverkehr samt neuer Station Rautenweg, eine Taktverdichtung der S80 samt Reaktivierung der Station Hausfeldstraße. Langfristig notwendig sei der viergleisige Ausbau der Ostbahnbrücke.
Weiter schlug er die Verlängerung der Straßenbahn-Linie 25 als Stadt-Regio-Tram bis Groß-Enzersdorf bzw. über Groß Enzersdorf hinaus inklusive Errichtung einer Park & Ride-Anlage vor. Weiters seien eine Anpassung des Busnetzes an neue Stadtentwicklungsgebiete wie auch eigene Busspuren auf den Straßen notwendig.
Dazu kommt der Ausbau baulich getrennter Radwege an Hauptstraßen und Rad-Routen bzw. Fahrradstraßen in Kfz-verkehrsberuhigten Bereichen. Um das Radfahren für Pendler und Pendlerinnen aus dem Umland attraktiv zu machen, sollten auch Radschnellwege errichtet werden, wie es sie in den Niederlanden oder Dänemark gibt. Um das Zu-Fuß-Gehen zu attraktivieren bedarf es Embergers Meinung nach der Herstellung einer Mindestgehwegbreiten von zwei Metern, der flächendeckenden Einführung von Tempo 30, wo notwendig auch auf Durchzugsstraßen, und der Schaffung einer hohen Aufenthaltsqualität durch ästhetisches Design, natürliche Beschattung durch Bäume, Plätze und konsumzwangfreier Zonen mit Sitzgelegenheiten.
Tabula rasa
Unterdessen machte die Stadt Wien Tabula rasa. "Durch die Besetzung in der Hausfeldstraße haben wir fünf Monate verloren, die wir nun versuchen, aufzuholen", sagte dazu Thomas Keller, Leiter der zuständigen Straßenbauabteilung MA 28. Nach der polizeilichen Räumung des von Umweltschützern seit Monaten bewohnten Protestcamps am Dienstag fuhren umgehend die Bagger auf. Aktuell laufen die ersten Erdarbeiten und eine Baustraße in der Hausfeldstraße wurde errichtet. Mit der Rodung von Bäumen wurde ebenfalls begonnen. "Es ist in allen Instanzen genehmigt, höchstgerichtlich bestätigt und hat eine sechsjährige Umweltverträglichkeitsprüfung positiv durchlaufen", unterstrich Keller.
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