"Muss mit Dinosauriern diskutieren"

Maria Vassilakou
Maria Vassilakou kämpft weiter für eine Alternative zum Lobautunnel.

Die grüne Vizebürgermeisterin über die Querelen in der SPÖ, hohe Mietpreise und die Mindestsicherung.

KURIER: Bei Ihrem Koalitionspartner SPÖ geht es derzeit rund. Richtungsstreits kennen Sie aus eigener Erfahrung. Was raten Sie der SPÖ und Häupl?

Maria Vassilakou: Ich sehe das relaxed. Als Grüne habe ich Erfahrung damit, dass es verschiedene Meinungen gibt und sie auch öffentlich artikuliert werden. Die gute Nachricht an die SPÖ: Es funktioniert trotzdem. Das ist das 21. Jahrhundert.

Zerbricht die Koalition, sollten sich in der SPÖ die Flächenbezirke durchsetzen?

Alles ist im Moment hypothetisch. Egal wie das Ergebnis der nächsten Tage sein wird – ich bin überzeugt, dass Rot-Grün von zentralen Haltungen nicht abweicht: Wien als Metropole braucht einen weltoffenen, progressiven Kurs.

Sollte Häupl zurücktreten: Gilt für Sie der Koalitionspakt noch oder bedeutet das Neuwahlen?

Ach was. Darüber werde ich nicht spekulieren. Die Koalition ist ein Vertrag zwischen zwei Parteien, mit klaren Inhalten. Ich sehe keinen Bedarf, das weiter zu diskutieren.

Die SPÖ beklagt, dass viele Projekte verzögert werden. Etwa im Sport-, Kultur- oder im Medienbereich, weil das bei der grünen Basis nicht durchsetzbar wäre. Wer hat bei den Grünen eigentlich das Sagen?

Ein Stadtrat hat dafür zu sorgen, dass es zu einem Konsens mit den zuständigen Gemeinderäten seines Ausschusses kommt. Das gilt genauso für mich. Meine Ansprechpartner sind die SPÖ-Gemeinderäte, ihre Ansprechpartner sind die der Grünen.

Auffällig ruhig verhalten sich die Grünen bei den Problemen in den Wiener Spitälern. Ist im KAV alles eitel Wonne?

Es ist nirgendwo in der Stadt alles eitel Wonne. Es ist Aufgabe der zuständigen Stadträtin, Lösungen zu finden. Das Gesundheitsressort ist ein Ressort, in dem es seit jeher große Baustellen gibt. Ich halte nichts davon, hier irgendjemanden öffentlich etwas auszurichten.

Wie stehen Sie zu einer geplanten Auslagerung des KAV?

Skeptisch. Wichtig ist nicht an erster Stelle die Frage, ob er ausgegliedert wird oder nicht, sondern die Ziele: Eine hohe Qualität für die Patienten, faire Arbeitsbedingungen für das Personal. Klar ist: Das KAV-Management muss drastisch verbessert werden.

Die Gewerkschaft hat massiven Widerstand angekündigt.

Das überrascht nicht. Bei vielen vergangenen Ausgliederungen ist die Situation für die Mitarbeiter nicht besser geworden. Vielmehr wurde oft eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffen, wo die Alten ihre Privilegien erhalten konnten und die Jungen zu deutlich schlechteren Verhältnissen arbeiten müssen. Auch die Qualität für die Bevölkerung ist nicht notwendigerweise besser geworden.

Stichwort Mindestsicherung: Wie soll verhindert werden, dass zu viele Anspruchsberechtigte nach Wien wechseln?

Wir sprechen hier von den Schwächsten der Gesellschaft. Wer ihnen gerade jetzt, wo es draußen bitterkalt ist, den Mantel wegnehmen will, dem ist nicht mehr zu helfen. Das machen wir nicht.

Wenn ein Bundesland die Leistung kürzt, ist es klar, dass etwa Asylwerber ausweichen. Wie wollen Sie das finanzieren?

Vorweg: Es gibt keine Solidarität von Oberösterreich, Niederösterreich und dem Burgenland. Sie profilieren sich politisch auf Kosten anderer Bundesländer und zigtausender Menschen, die sie unversorgt lassen und so nach Wien treiben. Das ist Schuld der ÖVP. Ihre Leistung 2016 war, eine bundeseinheitliche Lösung zu verhindern. Und jetzt kommt auch noch der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel und wechselt politisches Kleingeld, anstatt als Stadtrat gegenüber der Bundes-ÖVP die Interessen Wiens zu vertreten. Das ist eine erbärmliche Performance. Mit Blick darauf, dass wir viele Menschen in Wien zu versorgen haben werden, müssen wir daher sicherstellen, dass wir das auch können.

Wien wächst, die Mieten wachsen mit, weil die Nachfrage an Wohnungen das Angebot übersteigt. Macht Wien in diesem Bereich genug? Wo hakt es?

Es ist eine Mär, dass die Mieten steigen, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt. Es gibt genug. Ein Blick auf die Widmungsbilanz des Vorjahres zeigt das: Allein 2016 haben wir Widmungsverfahren für 10.000 Wohnungen vollendet, heuer kommen wieder 10.000 dazu. Es ist vor allem Spekulation, die die Mieten steigen lässt. Daher braucht es endlich eine Mietrechtsreform auf Bundesebene.

Wegen der Präsidentschaftswahl haben sich die Grünen zuletzt sehr zurückgehalten. Wann ist mit neuen Projekten zu rechnen?

2017 werden sehr viele Mittel in Sanierungsprojekte fließen. Auch das muss erledigt werden. Etwa die Fertigstellung des Stephansplatzes, der Meidlinger Hauptstraße und des Südtiroler Platzes. Und wenn der achte Bezirk es will, kann schon heuer die Verkehrsberuhigung der Lange Gasse angegangen werden.

"Der Lobautunnel ist de facto abgesagt", haben Sie 2015 nach der Koalitionsbildung verkündet. Gilt das heute noch?

Alle großen Städte diskutieren heute über Verkehrsberuhigung. Nur ich muss mit Dinosauriern diskutieren, die den Verkehrskonzepten vergangener Jahrzehnte nachhängen. Ein vier Milliarden Euro teurer Autobahntunnel mitten durch einen Nationalpark kann nicht ökologisch sein. Wenn ich dieses Geld hätte, würde ich es in den öffentlichen Verkehr und in kleinräumige Umfahrungen investieren. Und nicht einmal dann würde ich es schaffen, alles auszugeben.

Dennoch betont die SPÖ von Häupl abwärts, der Tunnel sei ohne Alternativen.

Auf Regierungsebene haben wir vereinbart, die Frage der Donauquerung an ein Expertengremium zu delegieren. Die Ergebnisse erwarte ich bald. Wir müssen aber an die Zukunft denken: Der Norden und Osten Wiens ist mit Öffis unterversorgt. Es braucht neue Straßenbahnen und eine Verdichtung der S-Bahn. Ich hieße nicht Maria Vassilakou, wenn ich eine Verkehrspolitik machen würde, die nicht der Ökologie verschrieben ist.

Könnte die Koalition daran scheitern?

Ich sehe keinen Grund, warum ich mir darüber nach heutigem Stand Sorgen machen sollte.

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