Mordversuch in Wiener Asylunterkunft: 13 Jahre Haft
Wegen versuchten Mordes ist am Donnerstagnachmittag am Wiener Straflandesgericht ein 46-jähriger Mann zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Er hat einen Mitbewohner in einer Asylunterkunft in Simmering aus Angst vor einer Vergewaltigung mit dem Messer attackiert. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Die Geschworenen entschieden mit 6:2 Stimmen für den versuchten Mord und verwarfen die Eventualfragen auf absichtliche schwere Körperverletzung bzw. vorsätzliche schwere Körperverletzung. Erschwerend war die "gewisse Heimtücke", in der Dunkelheit auf den schlafenden 27-Jährigen einzustechen, stellte der Vorsitzende des Geschworenengerichts, Thomas Kreuter, fest. Mildernd wurde u.a. der bisherige tadellose Lebenswandel des Angeklagten und dass es beim Versuch geblieben ist.
Der 46-jährige Marokkaner ging am 18. September des vergangenen Jahres auf den 27-Jährigen los, weil er dachte, dass der jüngere Mann und weitere Mitbewohner ihn vergewaltigen wollen. Der Beschuldigte gab an, dass er bereits einen Tag zuvor von einem Freund und dessen Bekannten in einer Wohnung in Ottakring missbraucht worden sei.
Als wahrer Grund der Attacke dürfte die Angst davor gewesen sein, dass die wahre Identität des 46-Jährigen ans Tageslicht kommt. Der Marokkaner reiste nämlich über Italien nach Österreich und gab an, ein syrischer Staatsbürger zu sein. Da seine syrischen Mitbewohner mitbekamen, dass er einen anderen Dialekt sprach, bekam er es mit der Angst zu tun, verraten zu werden.
Ohnmächtig geworden
Der 27-jährige Mitbewohner des 46-Jährigen Marokkaners soll in einem Gespräch erwähnt haben, dass der nun angeklagte Mann für sexuelle Gefälligkeiten mit anderen Männern bezahlen würde. Deshalb hatte der Marokkaner ständig Angst, vergewaltigt zu werden. Einen Tag vor der Tat suchte der Angeklagte deshalb Zuflucht in der Wohnung eines Freundes in Ottakring. Dort trank er einen Saft und wurde kurz darauf ohnmächtig. Als er wieder erwachte, hatte er Schmerzen im Analbereich. Er beschuldigte den Freund und einen Bekannten der Vergewaltigung.
Der 46-Jährige suchte ein Spital auf, wo er den Ärzten erzählte, dass er Opfer einer Vergewaltigung geworden sei. Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, dass weder fremde Spuren, noch Verletzungen, die auf eine Vergewaltigung hindeuten würden, zu finden waren. Dennoch wurde Anzeige gegen Unbekannt erstattet.
"Ich war psychisch belastet"
Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde und er eine Aussage bei der Polizei gemacht hatte, ging er in der Stadt spazieren. "Ich war psychisch belastet und er (der 27-Jährige, Anm.) war der Grund, warum ich so belastet bin", sagte der 46-Jährige zum Vorsitzenden des Geschworenensenats, Thomas Kreuter. Als er in seiner Unterkunft in Simmering ankam, ging er in das Zimmer des 27-Jährigen und stach mit einem Messer, das zu Dekorationszwecken an der Wand hing, auf den schlafenden Mitbewohner ein.
Lebensgefährliche Verletzungen
"Ich hab ein Geräusch gehört, die Augen aufgemacht und gesehen, wie er auf mich einsticht", erzählte der Syrer im Zeugenstand. Dabei erwischte der 46-Jährige mit dem ersten Stich den Brustkorb und den Oberbauch so heftig, dass der Bauchraum eröffnet wurde. Die acht Zentimeter lange Klinge trat zwei Zentimeter tief in die Leber ein, eine Rippe wurde gebrochen und eine Brustkorbarterie erwischt, wie Staatsanwältin Angelika Linzner in ihrem Eröffnungsplädoyer erörterte. Der 27-Jährige erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Wenn er nicht laut geschrien hätte und die anderen Mitbewohner zu Hilfe geeilt wären, hätte er den Angriff nicht überlebt.
"Ich kann kaum schlafen, weil ich immer daran denken muss", erzählte der 27-Jährige. Zudem leidet der Mann immer noch unter Schmerzen im Bereich der Leber und unter Atemproblemen. Der Syrer, der in seiner Heimat als Kaffeeröster tätig war und in Wien als Kellner gearbeitet hatte, konnte sich den Grund für den Angriff nicht erklären. "Ich stelle mir immer wieder die Frage: 'Warum hat er es getan?'" Zum Vorwurf des Angeklagten, aus Angst vor Vergewaltigungen den Messerangriff unternommen zu haben, meinte der 27-Jährige: "Ich habe diesen Mann immer unterstützt und ihm geholfen. Er schuldet mir immer noch 500 Euro."
Tätliche Auseinandersetzungen auch in U-Haft
Auch in der U-Haft war es kurz nach der Festnahme des 46-Jährigen zwei Mal zu tätlichen Auseinandersetzungen mit Mithäftlingen gekommen. Der Marokkaner beschuldigte die Insassen ebenfalls, ihn vergewaltigen zu wollen.
Als Syrer ausgegeben
Das Motiv für die Messerattacke könnte aber auch ganz woanders liegen: Der Marokkaner war mit falscher Identität von Italien nach Österreich gekommen. Mit falschem Namen gab er sich als Syrer aus, doch seine Mitbewohner in der Unterkunft erkannten schnell, dass es sich aufgrund seines Dialekts nicht um einen Syrer handelte. "Eines Tages kam er mit dem Koran in der Hand in die Küche und forderte uns auf, darauf zu schwören, dass wir nicht mit den österreichischen Behörden zusammenarbeiten würden und ihn nicht verraten", erzählte das 27-jährige Opfer. Daraufhin habe man den 46-Jährigen gebeten, sich eine andere Unterkunft zu suchen.
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