Junge Psychiatrie-Patientin auf Erwachsenen-Station untergebracht: Klage gewonnen
Die Unterbringung von minderjährigen Patienten auf Psychiatrie-Stationen für Erwachsene sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für heftige Kritik durch Experten. Vor allem in Wien kam dies aufgrund von Engpässen auf den Kinderstationen immer wieder vor.
Jetzt liegt erstmals ein Gerichtsurteil vor, das einer betroffenen jungen Patientin Schadenersatz zuspricht. Das berichtet Bernhard Rappert von „VertretungsNetz Patientenanwaltschaft“. Diese Organisation vertritt Patienten, die zwangsweise in der Psychiatrie aufgenommen werden.
Weil kein Platz in einer kinderpsychiatrischen Abteilung frei war, wurde die damals 13-Jährige 2015 drei Tage lang auf der Erwachsenenpsychiatrie des Otto-Wagner-Spitals (OWS) in Wien-Penzing untergebracht. Und zwar in einem Netzbett und stundenweise fixiert. „Noch ein paar Jahre danach hat sie davon erzählt, wie schlimm es für sie war, neben einer erwachsenen Mitpatientin zu liegen, die immerfort geschrien hat“, schildert Rappert.
Hoheitsaufgabe
Begleitet vom Vertretungsnetz brachten die Eltern des Kindes eine Amtshaftungsklage gegen die Republik ein. Zur Erklärung: Es handelte sich um eine zwangsweise psychiatrische Unterbringung, was in die Hoheitsaufgaben des Staates fällt, erläutert Rappert.
Nun wurde das Verfahren in zweiter Instanz rechtskräftig beendet: Die Republik muss dem Mädchen 2.200 Euro Schadenersatz bezahlen. Das OLG Wien weist in seinem Urteil darauf hin, dass Minderjährige ihren Bedürfnissen entsprechend untergebracht werden müssen. Das schließe eine von Erwachsenen getrennte Unterbringung ein.
Dass das Urteil Vorbild für ähnlich gelagerte Fälle werden könnte, ist laut Rappert derzeit dennoch eher unwahrscheinlich. Das hat aber einen an sich erfreulichen Grund: Es kommt aktuell praktisch nicht mehr vor, dass Kinder auf Psychiatrie-Abteilungen für Erwachsene untergebracht werden.
In Wien wurde diese umstrittene Praxis im Vorjahr generell abgestellt. Anlass war der mutmaßliche Übergriff eines Erwachsenen auf ein 13-jähriges Mädchen, das ebenfalls auf der Erwachsenen-Station im OWS untergebracht war.
Die Stadt richtete daraufhin eine Psychiatrie-Station mit 15 Betten für Kinder und Jugendliche im Krankenhaus Hietzing ein. Wien-weit will man im Krankenanstaltenverbund die Kapazitäten bis Jahresende auf 124 Betten ausbauen.
Rappert kann sich aber vorstellen, dass nach dem aktuellen Urteil Betroffene rückwirkend Schadenersatz-Ansprüche geltend machen können.
Nähere Informationen gibt es unter: www.vertretungsnetz.at
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