Am 15. Juli feiern die Rolling Stones in Wien das Geburtstagsfest auf ihrer Tour. Das einzig wahre. Weil sie erst drei Tage zuvor – vor genau 60 Jahren – im Londoner Marquee Club auf diese Welt gekommen sind.
Also beginnt im Netz die Suche nach Gratulanten. Nach Menschen, die zwischen original signierten Bildern und mit Zungen vollgepflasterten Wänden wohnen, umgeben von Türmen sämtlicher und seltener Tonträger der Band. Erfolglos. Und da tänzelt er plötzlich bühnengerecht über den Bildschirm und aus der eigenen Erinnerungslücke: Hans Irker, auch 60 Jahre alt, in seiner Funktion als Frontman der 2006 gegründeten Wiener Cover-Band Stonez. „Mit dem Namen war ich nie ganz glücklich“, klärt er grinsend auf, „der könnte auch der Name eines mexikanischen Drogendealers sein.“
Und weil sein Erscheinungsbild gar so reflexartig an Mick Jagger erinnert, ist er auch im sozialen Netzwerk aufgefallen. Eindrücklich. In einem deutschen Kinofilm wird er als Jagger-Double seinen Auftritt bekommen.
Mit einem Ex-Stone ist er in seiner eigentlichen Rolle ohnehin schon aufgetreten. Zur Begleitung von Mick Taylor, dem wahrscheinlich besten Gitarristen, den die Stones jemals in ihren Reihen hatten, sang er in dessen Wiener Solokonzert Route 66. „Zehn Minuten bin ich dann im Park gesessen, um durchatmen zu können.“
Wann er sich seine Leidenschaft eingefangen hat?
Sehr früh. 1967. Als Bub hörte er zufällig „Let’s Spend the Night Together“. Fremd und anders, weit entfernt vom Kinderlied, aber unheilbar infektiös. Im Laufe der Jahre ist Irker immer mehr in die Stones und deren Musik hineingekippt. Bis die Gründung einer eigenen Band geholfen hat, am Anfang der 80er aus der „toten Hose“ des Wiener Stadtrands zu schlüpfen. Reichhaltig wurde seine musikalische Kollektion. Leider fiel der Großteil davon „einer privaten Veränderung“ zum Opfer.
Darunter Black and Blue (1976), sein vor dem Wien-Konzert 1982 von Jagger persönlich signiertes Lieblingsalbum. Eine Szene, die damals auf der Titelseite der Arbeiterzeitung Verewigung fand. „Ich liebe diese Platte, weil sie alles vereint. Rock, Reggae, Funk und Jazz“, sagt Irker.
Auch im Prater beginnt vor genau 40 Jahren die Ära der monströsen Stadionaufführungen. „Leider ein mieses Konzert“, teilt Irker die Meinung der meisten Anwesenden. Mitgewirkt hat er dann doch an der Entstehung eines Bildbandes über die erste steinige Open-Air-Tournee.
Ewiger Lieblingssong bleibt die Live-Fassung (1969) von „Midnight Rambler“ auf Get Yer Ya Ya’s Out. Jenes Live-Album, das Charlie Watts im seltenen Emotionsausbruch aus dem Plattencover springen lässt. Im August des Vorjahres ist der Drummer gestorben. „Ich dachte, das war’s mit den Stones. Ist das die Band, die ich überhaupt noch sehen will? Dann war ich jetzt im Juni beim Konzert in München. Und ja, ich will sie noch sehen.“
1,78 Meter ist der Original-Jagger groß. Fünf Zentimeter kleiner als sein „Darsteller“. Auch wenn Irkers stimmliche Performance Beachtung verdient, hat er das wahre Größenverhältnis nie aus den Augen verloren: „Auf den letzten Alben gibt es Nummern, die sind schlichtweg zu schwierig, um sie nachzusingen. Unglaublich, was Jagger mit fast 79 immer noch drauf hat. Man merkt, dass er täglich seine Stimme trainiert.“
Dennoch, es rollt die Abschiedstournee. Dieses Mal wirklich.
Hans Irker wird der Erinnerung auch danach auf die Sprünge helfen. „Ich will jedenfalls weitermachen. Zumindest bis ich 70 bin.“
Kommentare