Wiener Dialekt: Wie klingt eigentlich das "Meidlinger L"?

Krankl spricht  ein "Meidlinger L", obwohl er kein Meidlinger ist
Es gibt keine Kriterien: Doch schon bald können alle Wienerinnen und Wienern den Forschern helfen, sie festzulegen.

Es gilt als eines der markantesten Phänomene des Wiener Dialekts. Wer als Wiener gelten will, muss es produzieren – oder zumindest wirklich gut imitieren – können. Es ist den Wienerinnen und Wienern sogar so wichtig, dass die Junge Generation der SPÖ Meidling 2015 die Aufnahme des Lautes in das UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich forderte. Die Rede ist natürlich vom „Meidlinger L“.

Trotz des Ruhmes und der Aufmerksamkeit, die diese spezielle Aussprache des L-Lautes in der Stadt bekommt, gibt es einen (nicht allzukleinen) Haken: Bisher ist nicht gänzlich geklärt, wie das „Meidlinger L“ genau klingt.

Bisher nur Vermutungen

Zwar gibt es in der Forschung Vermutungen, wie sich das Paradebeispiel dieses speziellen „L’s“ anhören soll. Empirische Studien zu dem Thema gibt es kaum.

Damit soll aber bald Schluss sein. Aktuell beschäftigt sich eine Studie mit dem Wiener Sprachphänomen. Geleitet wird das Projekt von Phonetikerin Eva Reinisch in Zusammenarbeit mit Jan Luttenberger, Yaqian Huang und Stefan Dzever. Konkret wird der Frage nachgegangen, was das „Meidlinger L“ überhaupt ist.

„In der Literatur ist man sich nicht ganz einig, aber jeder scheint eine Meinung dazu zu haben, wie das Meidlinger L klingt“, sagt Studienleiterin Eva Reinisch. Um künftig aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse vorlegen zu können, sei im Herbst das 12-monatige Forschungsprojekt gestartet. Gefördert wird die Studie von der Stadt Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Wiener Dialekt: Wie klingt eigentlich das "Meidlinger L"?

Meidlinger L als Thema für die Forscher

Pilotphase angelaufen

Die Pilotstudie laufe bereits, sagt Reinisch. Eine Sprecherin habe eine lange Liste an Wörtern, die ein L beinhalten, eingesprochen. Diese Liste werde nun einer kleinen Gruppe an Menschen vorgespielt, um herauszufinden, welche L-Variante nach dem „Meidlinger L“ klingt.

„Mit diesen Erkenntnissen gehen wir dann ab April in die Hauptstudie“, sagt Reinisch. Sprich: Die Liste an Wörtern wird verkleinert, dafür soll die Gruppe an Probanden größer werden. In dieser Phase ist deshalb jeder in Wien  dazu aufgerufen, an der Studie teilzunehmen und das eigene Verständnis des „Meidlinger L“ mit den Forscherinnen und Forschern zu teilen. „Ich habe aber auch schon Leute getroffen, die nicht gewusst haben, was das Meidlinger L ist“, sagt Reinisch.  Auch sie seien gefragt. Nur so könne  zeitgleich erfasst werden, wie viele Menschen das Sprachphänomen nicht kennen.

Wie genau der Fragebogen aussehen wird, wird derzeit erarbeitet. In der Hauptstudie soll aber jedenfalls danach gefragt werden, wie sehr die verschiedenen L-Varianten nach  „Meidlinger L“ klingen. „Es geht in unserer Studie  um die Hörerseite, also nicht darum, wie das L produziert wird.“

Auch außerhalb Wiens

Aber egal welches L sich als Meidlinger Variante durchsetzen wird, eines steht bereits jetzt fest: Das „Meidlinger L“ beschränkt sich – trotz seines Namens – nicht nur auf den Wiener Raum. „Alle L-Varianten werden auch in Dialekten außerhalb Wiens verwendet“, sagt Reinisch.

Wiener Dialekt: Wie klingt eigentlich das "Meidlinger L"?

Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky spricht ein Meidlinger L

Warum sich für das „Meidliner L“ dennoch genau dieser Name durchgesetzt hat, ist nicht geklärt. Einige Vermutungen gibt es aber schon. Das Wort Meidling enthalte gleich zwei Eigenheiten des Wiener Dialekts: „Das notwendige L und das EI, das in Ostösterreich wie ein Ä ausgesprochen wird“, sagt Reinisch. Dazu kommt, dass der Wiener Dialekt sehr stark über die Arbeiterschicht definiert wird. „Meidling ist historisch gesehen ein Arbeiterbezirk. Das könnte ein Grund sein, warum das Meidlinger L nicht Wiener L heißt.“

Sprache verändert sich

Dass das „Meidlinger L“ oder gar der ganze Wiener Dialekt verloren gehen könnten, sei derzeit nicht zu befürchten, sagt Reinisch. Der Dialekt habe in Wien zwar wenig Prestige, weshalb vor allem junge Menschen zur Standardaussprache neigen. Aber: „Sprache ändert sich mit der Zeit. Dass etwas ausstirbt oder schlechter oder besser wird, kann man aber nicht sagen.“ Wer den Dialekt verwendet, das gehe aber weit über die Fragestellungen der aktuellen Studie hinaus.

Bis September wird das Forschungsprojekt von Eva Reinisch noch von der Stadt finanziell gefördert. Richtung Herbst könnte dann also ein für alle Mal geklärt sein, wie das „Meidlinger L“ tatsächlich klingt.

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