Rot-Grün rudert bei Fuzo zurück

Autobus 13A
Verbindliche Volksbefragung fix / 13A fährt künftig durch die Begegnungszone

Wenn sich Regierungspartner nicht einig sind, wird das Volk spät, aber doch befragt. So auch bei der Mariahilfer Straße. Noch vor Beginn der Umbau-Arbeiten im Frühjahr können die Bewohner des sechsten und siebten Bezirks darüber abstimmen, ob sie die Fußgängerzone überhaupt wollen. Das erklärten Bürgermeister Michael Häupl (SP) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) am Mittwoch.

Häupl machte damit seine Ankündigung wahr, dass es eine klare Fragestellung zur Mariahilfer Straße geben werde. Das ist Wasser auf die Mühlen der Opposition, die von Anfang an eine Abstimmung gefordert hatte.

Vassilakou gibt sich dennoch siegessicher. „Ich glaube nicht, dass sich die Mehrheit wünschen wird, dass der Dauerstau auf der Mariahilfer Straße zurückkommt.“ Sie dürfte sich auch deshalb so sicher sein, weil Rot-Grün im sechsten und siebten Bezirk über eine satte Mehrheit verfügt und auch die Bezirksvorsteher stellen.

Radlerfrage

Eine Streitfrage sind nach wie vor die Radfahrer in der Fußgängerzone. Hier hatte man noch immer keine Lösung parat. „Dafür sind noch genauere Analysen notwendig“, sagte Vassilakou. Die Positionen sind aber schon jetzt klar. Häupl ist gegen das Radeln in der Fußgängerzone, seine Vizebürgermeisterin dafür. Findet man keine Lösung könnten in letzter Konsequenz auch hierzu die Bürger befragt werden.

Eine kleine Lösung gibt es hingegen bei den Querungen: Von der Stumpergasse darf demnächst wieder in die Kaiserstraße eingefahren werden. Es ist aber die einzige Querung, die geöffnet wird. „Der Querung Stumpergasse/Kaiserstraße müssen weitere folgen“, forderte daraufhin Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien. Sie will die Öffnung der Querungen im Bereich der Schottenfeldgasse/Webgasse und der Windmühlgasse.

Neue Busroute

Gelöst scheint hingegen die Linienführung des 13A. Der Bus wird ab 18. November nicht mehr durch die Fußgängerzone fahren, sondern in Richtung Skodagasse durch die Windmühlgasse zur Mariahilfer Straße geführt (siehe Grafik). Dort fährt er in der Begegnungszone und biegt dann in die Kirchengasse ein. Der 2B wird eingestellt. Damit folgt die Stadt pikanterweise einem Vorschlag der Wirtschaftskammer.

Ab dem Frühjahr soll der 13A dann durch die Amerlingstraße zur U3-Station Neubaugasse und über die Schadekgasse in die Windmühlgasse fahren. Davor sind aber Umbauten notwendig. „Wichtig ist, dass der Bus nicht durch die Fußgängerzone fährt“, erklärte Leopold Wurm, Betriebsrat der Wiener Linien. Die Route durch die Begegnungszone sei aber nicht sein vorderster Wunsch gewesen: „Die Neubaugasse wäre die beste Lösung.“ Das scheiterte aber am Veto des siebten Bezirks.

Man werde sich die neue Route nun genau ansehen, sagte Wurm. „Sollte es aber zu gefährlich werden, werden wir nicht fahren“, sagt Wurm unmissverständlich.

Rot-Grün rudert bei Fuzo zurück

KURIER: Bürger sollen nun direkt über die Fußgängerzone abstimmen können?
Michael Häupl: Wir haben vereinbart, die Bevölkerung des 6. und des 7. Bezirks in die Evaluierung des Projekts einzubeziehen und auch die Akzeptanz des Projekts abzufragen. Es wird eine klare Frage geben, ob die Fußgängerzone gewollt wird oder nicht.

Die SPÖ hat zuletzt die Öffnung der Querungen verlangt, jetzt wird eine geöffnet. Reicht Ihnen diese Öffnung oder braucht es noch mehr?
Wir haben heute eine Lösung präsentiert, die eine Querung vorsieht. Weitere Querungen zu öffnen, ist derzeit nicht vorgesehen

Wäre es vernünftig, die Bürger auch über die Radfahrer in der Fußgängerzone zu befragen?
Um die Frage, ob Radfahrer in der Fußgängerzone fahren können oder nicht, endgültig zu klären, sind noch genauere Analysen notwendig. Ich bin mir aber sicher, dass wir eine zufriedenstellende Lösung finden werden.

Kaum ein Verkehrsprojekt hat für so viele und heftige Debatten gesorgt wie die Verkehrsberuhigung der Wiener Mariahilfer Straße. Seit Mitte August ist das neue Konzept - ein Mix aus Fußgängerzone und Begegnungszone - in Kraft. Am Mittwoch präsentierten Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) erste Adaptierungen. Im Folgenden eine Chronologie des grünen Prestigeprojekts:

Februar 2011: Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou gibt eine Studie zur Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße in Auftrag.

November 2011: Drei Varianten für ein neues Verkehrskonzept werden der Öffentlichkeit präsentiert. Zur Debatte stehen eine klassische Fußgängerzone, eine Shared-Space-Lösung sowie eine Mischform aus beiden. Die Wirtschaftskammer äußert massive Bedenken und befürchtet Einbußen für Unternehmer.

Jänner 2012: Nach Ende des ersten Bürgerbeteiligungsprozesses, bei dem Wünsche und Bedenken zur Mahü-Neugestaltung eingebracht werden konnten, starten die Detailplanungen. Die Wirtschaftskammer wird ebenso eingebunden wie die betroffenen Bezirke Mariahilf und Neubau, die wegen befürchteter Verdrängungseffekte auf ein "durchdachtes Verkehrskonzept" pochen.

Oktober 2012: Vassilakou präsentiert erste Detailpläne für das künftige Verkehrskonzept. Demnach soll die Mariahilfer Straße beinahe im gesamten Verlauf verkehrsberuhigt - sprich: so gut wie autofrei - werden. Eine Gliederung in drei Abschnitte wird angekündigt. Ob Autos die Shoppingmeile dann noch queren dürfen, soll durch eine Anrainerbefragung entschieden werden. Die Opposition spricht von Pfusch und Chaos.

Februar 2013: Die Anrainer sprechen sich mehrheitlich gegen Querungen für den Kfz-Verkehr aus. Im Vorfeld haben ÖVP und FPÖ die Befragung scharf kritisiert - nicht zuletzt deshalb, da nur die Bewohner der betroffenen Querstraßen teilnehmen durften - und wiederholt eine breite Befragung zum Gesamtprojekt gefordert. Die Volkspartei will die Verkehrsberuhigungspläne mittels Petition zu Fall bringen.

März 2013: Vassilakou kündigt an, die Probephase für die Mahü Neu noch im Sommer starten lassen zu wollen und stellt eine neuerliche Bürgerbefragung nach Ende des Testlaufs in Aussicht. Gleichzeitig wird fixiert, dass die Randabschnitte zu Wiens ersten Begegnungszonen, sowie die Gumpendorfer Straße, Burggasse und Neustiftgasse zu Tempo-30-Zonen umgewandelt werden. Große Umbauten an der Oberfläche soll es erst 2014 geben.

Mai 2013: Am ersten Maiwochenende wird ein kurzer Abschnitt der Mariahilfer Straße für den Autoverkehr gesperrt. Der "Proberaum" soll einen ersten Eindruck der künftigen Fußgängerzone vermitteln. Passanten nutzen die leere Fahrbahn nur spärlich, verirrte Autofahrer müssen immer wieder aus der Mini-Fuzo gelotst werden.

Juni 2013: Der 16. August wird als offizieller Starttermin für das neue Verkehrskonzept festgelegt. Zusätzlich wird entschieden, dass der 13A eine eigene rote Busspur bekommt.

Juli 2013: Stadt und Wirtschaftskammer einigen sich auf die Regelungen für Lieferanten und Taxis. Ende des Monats äußern die Buslenker des 13A erstmals Bedenken, künftig durch eine Fußgängerzone fahren zu müssen.

August 2013: Mitte des Monats tritt das neue Verkehrskonzept in Kraft. Der Kernbereich der Mariahilfer Straße ist nun eine Fußgängerzone mit Raderlaubnis, die Randzonen gelten als Begegnungszonen. Die neuen Ge- und Verbote sowie diverse Bodenmarkierungen sorgen für Verwirrung. Gleichzeitig drohen die 13A-Buslenker wiederholt mit der Einstellung des Fahrbetriebs wegen Sicherheitsbedenken.

Vassilakou muss nach nur vier Tagen die Notbremse ziehen und kündigt neben ersten Nachbesserungen auch eine Verbannung des 13A aus der Fuzo an. Experten sollen eine neue Route erarbeiten. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) äußert sich Tage später erstmals zur Mahü und orten mit der Busroute, den Radlern in der Fuzo und den Querungsverboten drei Probleme, deren Lösung er einfordert.

September 2013: Die Debatte um das Neo-Konzept reißt nicht ab und stört zusehends den rot-grünen Koalitionsfrieden. Vor allem das Radthema sorgt für Zank. Während die SPÖ inklusive Häupl für deren Verbannung aus der Fuzo plädieren, beharren die Grünen auf der Beibehaltung der Radfahrerlaubnis. Als Kompromiss wird im Gemeinderat u.a. die Prüfung einer Fuzo-Verlängerung, der Wiedereinführung von Querungen und der Aufwertung umliegender Straßen für Biker beschlossen.

9. Oktober 2013: Die SPÖ brüskiert Vassilakou, indem sie mit eigenen Forderungen zur "Mahü"-Umgestaltung an die Öffentlichkeit geht, die teils konträr zu Vassilakous Plänen stehen. Gewünscht werden etwa mindestens zwei Kfz-Querungen, das Aus für die untere Begegnungszone und die Beibehaltung der bisherigen 13A-Route bei gleichzeitiger Aufhebung der Fuzo in diesem Abschnitt.

Der Grund: Die Roten sind sauer wegen neuer Umgestaltungs-Renderings, die zwei Tage zuvor angeblich ohne Absprache von Vassilakou veröffentlicht worden sind und u.a. eine durchgehende Pflasterung der Shoppingmeile zeigen. Mariahilfs SPÖ-Bezirksvorsteherin Renate Kaufmann geht jedoch auf Distanz zu den roten Forderungen, weshalb die Grünen "Chaos" beim Koalitionspartner orten.

10. Oktober 2013: Häupl ist über den rot-grünen Zwist wenig erfreut und kündigt Gespräche nicht nur mit den Grünen, sondern auch mit seinen Parteifreunden an.

15. Oktober 2013: Der Bürgermeister stellt in Aussicht, dass die Anrainer die Mahü-Verkehrsberuhigung bei der geplanten Befragung im Frühjahr 2014 auch ablehnen können. Ein Nein wäre verbindlich und würde gewissermaßen das Ende des Projekts bedeuten.

30. Oktober 2013: Die Änderungen sind fix: Der 13A wird künftig nicht mehr durch die Fuzo rollen, sondern erhält eine neue Route durch den 6. Bezirk. Die führt ihn bis zu Mariahilfer Straße, die er dann - jedoch auf der Begegnungszone - kurz befährt, bis er in die Kirchengasse einbiegt. Dort geht es dann quasi auf seiner angestammten Streckenführung weiter. Die Änderung tritt ab dem 18. November in Kraft, nach Umbauarbeiten im Bereich Schadekgasse/Windmühlgasse wird die Route im Frühjahr noch einmal geringfügig geändert. Zudem wird wieder möglich sein, mit dem Auto von der Stumpergasse in die Kaiserstraße zu fahren.

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