Lueger-Ring wird Vergangenheit

Lueger-Ring wird Vergangenheit
Die Ringstraße vor der Wiener Uni wird künftig nicht mehr Dr.-Karl-Lueger-Ring heißen, sondern Universitätsring.

Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny hatte am Mittwoch viele Telefongespräche zu führen. Unter anderem mit Kaffeehausbesitzern, Rechtsanwälten, Vertretern internationaler Konzerne und einem Reisebürochef. Der Grund: Er musste allen eine für Juni geplante Adressänderung erklären. Dann soll der Dr.-Karl-Lueger-Ring nämlich in Universitätsring umbenannt werden. Die Stadt Wien gibt damit einer jahrelangen Forderung nach und geht zu dem früheren Bürgermeister auf Distanz. Denn Karl Lueger war zwar ein beliebter Bürgermeister, der etliche Reformen und Erneuerungen durchgeführt hat. Er gilt aber auch als Wegbereiter des modernen Antisemitismus.

Seit Monaten lag daher ein Antrag der Universität vor, den Abschnitt der Ringstraße zwischen Stadiongasse und Schottengasse – der früher Franzens-Ring, ab 1919 Ring des 12. November hieß und 1934 von den Austrofaschisten dann in Dr.-Karl-Lueger-Ring umbenannt wurde – umzutaufen.

Auch der Verein Gedenkdienst und Vereinsobmann Berti Wagner hatten sich seit Jahren um eine Umbenennung bemüht. Man sah in der Straßenbezeichnung eine „öffentliche Huldigung des Antisemiten Lueger“. Jetzt soll dieser Abschnitt des Rings also Universitätsring heißen. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny: „Die Stadt will damit ein Zeichen für ein differenziertes Lueger-Bild setzen.“

Nicht sehr glücklich mit der Entscheidung sind einige der Bewohner und Nutzer der zwölf Häuser vis-à-vis der Uni, die nun wegen der Adressänderung ihre Dokumente und Firmenbucheintragungen ändern und neue Drucksorten und Visitenkarten bestellen müssen.

Denkmäler bleiben

Mailath-Pokorny: „Die Umbenennung wird eine Ausnahme bleiben.“ Der Luegerplatz und elf weitere Lueger-Gedenkstätten in Wien bleiben also erhalten. Erwartungsgemäß kam die Umbenennung bei der ÖVP nicht gut an. Karl Lueger war schließlich der Gründer der „Christlichsozialen Partei“. Die ÖVP zweifelt an der „moralischen Instanz“ von Rot-Grün: „Ein „kulturpolitisches Armutszeugnis“. FPÖ-Landtagspräsident Johann Herzog sieht in der Umbenennung des Straßenstücks eine „kulturpolitische Barbarei“.

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) ist über den Schritt erfreut: „Damit setzt Rot-Grün in Wien ein Zeichen!“ Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, ist hocherfreut, dass „die Bekanntgabe ausgerechnet am Jom HaShoah erfolgt ist“, am Tag, an dem die jüdischen Gemeinden weltweit an die Opfer der Shoah gedenken.

Zur Person: Karl Lueger

Lueger-Ring wird Vergangenheit

Karl Lueger wurde 1844 in Wieden bei Wien geboren. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend studierte Lueger in Wien Rechtswissenschaft und promovierte 1870. 1875 startete er seine politische Karriere als Wiener Gemeinderat, ab 1887 bekannte er sich offen zum Antisemitismus als Agitiationsmittel. 1893 gründete Lueger die offen antisemitische Christlichsoziale Partei (CS). Sie glaubten, die soziale Frage durch eine Lösung der "Judenfrage" klären zu können. Eine Verbesserung der Lebenslage der Handwerker war für sie nur durch eine antijüdische Gesetzgebung gegenüber den Wiener Juden zu bewerkstelligen.

Mit der CS gelangte Lueger 1897 Wien an die Macht und wurde Bürgermeister, was er bis zu seinem Tod 1910 blieb. In seine Amtszeit fallen wesentliche Reformen und Bauvorhaben der Stadtverwaltung, mit denen Wien auf seine geplante Funktion als europäische Metropole von etwa vier Millionen Einwohnern vorbereitet werden sollte. Während Adolf Hitler Lueger wegen seines Antisemitismus als "gewaltigsten deutschen Bürgermeister" bezeichnete, distanzierte sich Lueger als Bürgermeister zumindest teilweise von diesem Gedankengut. 1908 erklärte er: "Ja, wissen`S, der Antisemitismus is` a sehr gutes Agitationsmittel, um in der Politik hinaufzukommen; wenn man aber einmal oben is`, kann man ihn nimmer brauchen, denn des is` a Pöbelsport!"

 

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