Ludwig zu Arbeitsmarkt: "Demografische Entwicklung ist politisch unterschätzt"

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) spricht nicht gerne von Problemen, sondern lieber von Herausforderungen. Eine davon ist die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt. Zu dieser nahm er bei einem Mediengespräch am Montag ausführlich Stellung. In den vergangenen Tagen ist die Debatte rund um die steigende Arbeitslosigkeit einmal mehr hochgekocht, mit etwas über elf Prozent verzeichnet Wien die höchste Arbeitslosenquote aller Bundesländer. Ludwig vermisst in der Diskussion, dass viele Pendler in Wien Arbeit finden würden. „Wir kümmern uns nicht nur um Wien, sondern um die ganze Ostregion.“
Zudem befände sich Wien in einer günstigeren Situation, da die Stadt im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern mit einem leichten Wirtschaftswachstum und mit steigender Wertschöpfung aufwarten könne, dennoch müsse man die Wirtschaft unterstützen.
Ludwig skizzierte darum seine Schwerpunkte.
Der Fokus liegt auf dem Life-Science-Bereich, denn „Wien profitiert nicht nur vom Dienstleistungssektor, wir sind auch ein starker Industriestandort“. Gerade die Pharmaindustrie hätte zum Wirtschaftswachstum in Wien maßgeblich beigetragen. Ebenso der Tourismus.
Hier hofft man, bei der anstehenden Entscheidung rund um den Austragungsort des Eurovision Song Contests (ESC) die Nase vorne zu haben. Noch sind Innsbruck und Wien im Rennen. „2015 haben wir bewiesen, dass wir das können, ich bin optimistisch, dass wir den Zuschlag erhalten“, so Ludwig. Dabei geht es nicht nur um Prestige, vor zehn Jahren brachte der ESC 28 Millionen Euro an Wertschöpfung.
Die dritte Säule sind Zukunftstechnologien. In diesen Bereich fällt etwa die Bewerbung als Standort für die Gigafactory, also einem riesigen KI-Rechenzentrum. Wie berichtet will die EU fünf davon errichten. „Sollte in Wien eine Gigafactory errichtet werden, bin ich überzeugt von einem starken Schub.“
Pensionierungswelle
Eine Frage hält Ludwig für „politisch unterschätzt.“ Nämlich jene der demografischen Entwicklung. Wenn die geburtenstarke Babyboomergeneration in Pension geht, werde das zu fehlenden Fachkräften führen. Ein Thema, das er im KURIER bereits Anfang des Jahres bei einem gemeinsamen Interview mit Wirtschaftskammer-Wien-Präsident Walter Ruck angesprochen hatte.
Letzterer hatte damals auch Chancen gesehen: „Bedingt durch den Zuzug ist Wien eine der wenigen Städte und Regionen in Österreich, die in den nächsten zehn Jahren einen überproportionalen Anstieg der 15- bis 24-Jährigen hat.“ Sollte es gelingen, diese Menschen in den Produktionsprozess zu bekommen, würde sich Wien noch weiter von den Mitbewerbern absetzen. Andernfalls müsse man sich auf eine finanzielle Belastung des Sozialsystems einstellen.
Ludwig und er, bekannt für ihre Zusammenarbeit, würden hier gemeinsam Lösungen suchen. Etwas, das der Bürgermeister anekdotisch untermauerte: „Wir haben vor, dass wir jedes Jahr in der Größenordnung von 100 Fußballfeldern Photovoltaikanlagen befestigen – und zwar auf Schulen, Gemeindebauten, aber auch auf privaten Häusern.“ Viele Unternehmen hätten nicht so viele Mitarbeiter, die die Montage übernehmen. „Da braucht man keine vollwertige Lehre, aber qualifizierte Fachkräfte.“ Gemeinsam hätte man Ausbildungslehrgänge entwickelt, um Menschen, die „etwas leisten und durchaus gut verdienen“ wollen, mit einer entsprechenden Ausbildung fit zu machen. „Wir analysieren die Herausforderung und erarbeiten, wie man ohne großes Drama Lösungen herbeiführen kann“, sagt Ludwig.
In dieselbe Kerbe schlägt die gestern von der Stadt Wien vorgestellte Stiftung, um Frauen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu helfen.
Kommentare