Landesversammlung in Wien: Grüne surfen (noch) auf Erfolgswelle
Ob aus dem Müll gerettetes Obst, -Moleküle aus Plastik oder Bio-Schokolade: Die Wahlgeschenke, die auf den weißen Stehtischen im Foyer des Wiener Austria Centers ausgelegt sind, sind ungewöhnlich. Aber passend für die Zielgruppe, um die es an diesem Samstag geht: Die Basis der Wiener Grünen.
Rund 600 Mitglieder und Unterstützer der Landespartei sind zur Landesversammlung gekommen, um die Liste für die Wien-Wahl im Herbst zu bestimmen – und zwar auf eine völlig neue Art.
Anstatt lange Reden zu halten, standen die 49 Kandidaten der Basis an den Tischen Rede und Antwort zu ihren Plänen – die sich zum Beispiel um den Klimaschutz, um Kinderrechte oder um Feminismus drehen. Das häufigste Thema der Gespräche war jedoch der Wahlmodus – die zweite, weitaus kompliziertere Neuerung.
Das Ergebnis: Eine Liste mit durchaus überraschenden Kandidaten auf den aussichtsreichen Plätzen. Was bedeutet das für die Grünen und die Wien-Wahl? Eine Erklärung in drei Thesen.
Das Wahlsystem
Birgit Hebein wurde bereits 2018 zur Spitzenkandidatin gekürt. Abgestimmt wurde daher über die Plätze 2 bis 30. Sie wurden mit dem Single-Transferable-Vote-System vergeben: Die Wähler stimmten dabei nicht nur für einen Kandidaten, sondern reihten mehrere Bewerber.
Das Ergebnis
Gute Chancen auf Wiedereinzug ins Rathaus haben: Peter Kraus (Platz 2), David Ellensohn (4) Jennifer Kickert (5), Ursula Berner (7), Martin Margulies (8) und Niki Kunrath (13).
Zittern müssen Hans Arsenovic (16) und Barbara Huemer (18).
Neu dazu kommen könnten Judith Pühringer (3), Viktoria Spielmann (6), Berivan Aslan (9), Heidemarie Sequenz (10), Felix Stadler (11), Huem García (12) und Ömer Öztas (14).
Erstens: Die Grünen surfen weiter auf der Erfolgswelle – noch. Das zeigt sich etwa daran, dass Parteichefin Birgit Hebein in ihrer Eröffnungsrede „einige künftige Bezirksvorsteher“ im Saal ortet.
Sie könnte, betrachtet man die Ergebnisse der Nationalratswahl, Recht behalten: Damals holten die Grünen in Wien sieben Bezirke.
Aktuellen Umfragen zufolge kann Hebein auch für die Wien-Wahl zuversichtlich sein.
Entsprechend gut ist die Stimmung in der Partei – wobei den Grünen bewusst ist, dass die Welle auch brechen könnte. „Wenn es uns gelingt, den Diskurs im Bund stärker zu bestimmen, dann können wir zuversichtlich sein“, sagt ein Gemeinderat.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn Hebein den grünen Regierungseintritt im Bund als „Risiko“ bezeichnet und eindringlich appelliert, Geduld zu bewahren: „Ich in überzeugt, wir werden einen langen Atem brauchen.“
Zweitens: Die Grünen werden jünger – und linker. Denn: Im Rennen um Platz zwei setzt sich nicht Langzeit-Klubchef David Ellensohn durch, sondern der 33-jährige Planungssprecher Peter Kraus.
Mit dieser Position hat er beste Aussichten, nach der Wahl Klubobmann oder Stadtrat zu werden.
Zwei langgediente Mandatare – Rüdiger Maresch und Birgit Meinhard-Schiebel – traten erst gar nicht an. Das Publikum im Saal verabschiedet sie mit Standing Ovations.
Weitere Junge, mit guten Chancen auf Einzug in den Gemeinderat: Ömer Öztas – er ist mit 19 Jahren der jüngste grüne Kandidat überhaupt.
Und die Gewerkschafterin Viktoria Spielmann. Sie zählt neben Gemeinderat Martin Margulies und der Donaustädter Klubchefin Heidemarie Sequenz zum linken Parteiflügel.
Drittens: Bereits die Kür der versierten Sozialpolitikerin Hebein zur Nummer eins war ein Angriff auf die SPÖ. Mit der Liste munitionieren sich die Grünen nun weiter gegen ihren Koalitionspartner auf.
Etwa mit der Arbeitsmarktexpertin Judith Pühringer, die bereits im Vorfeld ein fixes Ticket in der Tasche hatte.
Hebein beschwört weiter Rot-Grün – auch wenn man den Eindruck gewinnen kann, dass sie dieser Konstellation etwas müde ist. Etwa, wenn sie sagt: „Der eine oder andere in der SPÖ ist noch immer davon überzeugt, weitermachen zu können wie in den 70er-Jahren.“
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