Die Aktivisten wurden wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angezeigt. Das wird dann schlagend, wenn die Aktivisten durch ihre Aktion eine "Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen" herbeiführen. Strafrahmen: Drei Monate Haft.
"In so einem Fall könnte ich mir auch vorstellen, dass es eine Anzeige wegen Nötigung gibt", sagt Strafverteidiger Andreas Schweitzer. Bei einem ähnlich gelagerten Fall in Deutschland wurde gegen Aktivisten auch ermittelt, weil sie fahrlässig für den Tod der Patientin verantwortlich gewesen sein sollen. Diese Ermittlungen wurden später zwar wieder eingestellt, Anklagen gibt es für sie allerdings wegen Nötigung und Widerstands.
Die Frage nach der Kausalität
Auch in Österreich wären Anzeigen wegen eines fahrlässigen Tötungsdeliktes in solchen Fällen möglich, sagt Schweitzer. "Wesentlich ist aber, ob die Blockade tatsächlich kausal für den Tod des Patienten ist. Wäre er auch gestorben, wenn die Rettungskräfte früher angekommen wären?" Das müsste ein Gutachten klären.
Die Polizei warf den Aktivisten am Verteilerkreis zumindest vor, dass diese erst nach Intervention die Fahrbahn wieder freigemacht hätten. Das bestreitet die "Letzte Generation" am Donnerstag aber: "Dieser Vorwurf ist nicht richtig. Wie bei jedem unserer Proteste war auf einer Fahrspur niemand festgeklebt, um diese im Ernstfall sofort aufmachen zu können", sagt Marina Hagen-Canaval, Sprecherin der "Letzten Generation". Es habe keine Anzeichen eines Notfalls gegeben und auch keine Aufforderung durch Polizei oder Passanten, den Rettungswagen durchzulassen.
Debatte um zweites Rettungsteam
Zudem habe die "Letzte Generation" eine Abbiegespur freigehalten, sodass Fahrzeuge den Kreiverkehr verlassen konnten. Einsatzfahrzeuge hätten den Kreisverkehr über eine Busspur und einen Fahrradweg "ungehindert in Nord-Süd-Richtung queren" können, sagt Hagen-Canaval. "Der Verstorbene – unser Mitgefühl gilt den Angehörigen – wurde vor Ort bereits von Einsatzkräften eines Notarzthubschraubers versorgt, und noch vor Protestbeginn für tot erklärt."
Dem widerspricht allerdings die Aussagen von Andreas Zenker, Sprecher vom Roten Kreuz Niederösterreich. Gegen 8 Uhr sei das niederösterreichische Rote Kreuz alarmiert worden. Ein Rettungswagen aus Schwechat und ein Hubschrauber sein daraufhin losgefahren bzw. -geflogen. Um 8.15 Uhr sei das erste Rettungsteam eingetroffen. "Eine ganze Stunde wurde der Patient reanimiert", sagt Zenker. Um kurz nach 9 sei der Mann für tot erklärt worden.
Zusätzlich zu dem Fahrzeug und dem Hubschrauber aus Niederösterreich sei auch die Wiener Berufsrettung alarmiert worden. "Weil sich der Einsatz im Grenzgebiet befindet, wurden alle Teams relativ zeitgleich verständigt", sagt die Sprecherin der Wiener Berufsrettung Corina Had. Wie spät genau die Wiener Berufsrettung über das Eintreffen des niederösterreichischen Teams informiert wurde, könne Had aber nicht mehr sagen.
250 Meter von Aktivisten entfernt
Laut Landespolizeidirektion Wien war der Wagen der Berufsrettung von der Grenzackerstraße in Richtung Altes Landgut unterwegs gewesen und wurde durch den Stau in etwa 250 Meter Entfernung gegenüber von jener Stelle gestoppt, an der sich Aktivistinnen und Aktivisten festgeklebt hatten. "Rund 250 Meter Sichtweite", sagte Polizeisprecherin Irina Steirer - es sei durchaus nachvollziehbar, dass die Gruppe von ihrer Position das nicht bemerkt habe. "Einsatzkräfte vor Ort berichteten, dass an dem sehr weitläufigen Ort davon auszugehen sei, dass der Krankenwagen nicht wahrgenommen wurde."
Nicht auf Aktivisten zugegangen
Die Polizistinnen und Polizisten seien jedenfalls nicht auf die "Letzte Generation" zugegangen, um sie aktiv über den Rettungseinsatz zu informieren: Die festgeklebten Personen hätten gar nicht schnell genug entfernt werden können, und es sei "nicht zielführend, Fahrzeuge am mittleren Fahrstreifen zwischen den Klebern" durchzulotsen, sagte Steirer. Auf der mittleren Spur wäre laut den Demonstranten niemand festgeklebt gewesen. Die "Intervention" erfolgte vielmehr viel weiter hinten, mitten im dichten Stau: "Kollegen und Kolleginnen haben Zentimeter für Zentimeter Fahrzeuge eingeordnet und zur Seite eingewiesen, damit die Rettung einen schmalen Weg frei hatte", schilderte die Sprecherin der APA. So schob sich das Einsatzfahrzeug offensichtlich mühsam bis zum Verteilerkreis vor, um dort nicht über die Fahrspuren im Kreisverkehr selbst, sondern über die Mitte der Verkehrsanlage darüber und dann abzufahren. Die Länge der Verzögerung konnte Steirer zunächst nicht beurteilen.
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