Antworten darauf suchten zwei Experten. Eine für nachhaltige Energieversorgung und Dekarbonisierung, einer für Verkehr. Jene zwei Stellschrauben, die zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 noch deutlicher in den Fokus rücken müssen, so die Wissenschafter.
Der fehlende Zeitplan
Schließlich entfallen allein 30 Prozent der Emissionen in Wien auf den Gebäudesektor. Zwar setzte die Stadt mit ihrer Raus-aus-Gas-Strategie, also der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, bereits wichtige Schritte. Zur Erreichung der Klimaziele brauche es aber eine deutlich höhere Kesseltauschrate als bisher sowie ein stärkeres Bekenntnis zur thermischen Sanierung, sagt Constanze Frech, Expertin für erneuerbare Energien.
Derzeit kann die Stadt nämlich nur bei Errichtung oder größeren Umbauarbeiten Vorgaben zur Bauweise und zum Betrieb machen. Sprich: Bei Bestandsgebäuden hat die Stadt wenig Mitspracherecht. „Dadurch ist das Erreichen der Klimaziele gewissermaßen vom Eigentümerwillen abhängig“, sagt Frech.
Dabei gebe es durchaus Maßnahmen, die die Stadt – etwa die künftige Regierung – setzen könnte. Zum einen könne man laut Frech in der Bauordnung Mindeststandards für Umbauarbeiten und die thermische Sanierung festlegen.
Zum anderen müsse aber auch die Kommunikation verbessert werden. „Dass die Dekarbonisierung der Heizsysteme mancherorts so schleppend vorangeht, hat auch damit zu tun, dass vielen Eigentümern nicht bewusst ist, dass der Gasausstieg sie früher oder später ohnehin zum Handeln zwingen wird“, sagt Frech. Die Expertin empfiehlt der Stadt deshalb, den Bürgerinnen und Bürgern verstärkt zu vermitteln, dass die Gasleitungen künftig rückgebaut werden. Die Stadt Zürich handhabt das zum Beispiel mit einem Rückbauplan samt verbindlicher Zeiträume.
Wien ist anders
In Wien geht das allerdings nicht, heißt es bei den Wiener Netzen. „Wir haben vom Gesetz her eine Versorgungspflicht“, sagt eine Sprecherin. Solange die Bundesregierung keine neue Regelung erlässt, sei es für die Wiener Netze nicht möglich, einen Zeitplan für den Ausstieg zu erstellen.
Das größte „Sorgenkind“ in Bezug auf die Klimaneutralität dürfte für die künftige Stadtregierung aber wohl der Mobilitätsbereich werden. Rund 35 Prozent der Emissionen entfallen laut Verkehrsforscher Ulrich Leth darauf.
Zwar tue sich mit dem Ausbau der U-Bahn und des Radnetzes einiges, einen Teil der selbstgesetzten Ziele wird die Stadt aber krachend verfehlen. Beim Modal Split, der Verkehrsmittelwahl der Wienerinnen und Wiener, wollte die Stadt den Anteil der Autofahrten bis 2025 auf 20 Prozent reduzieren. In den vergangenen zehn Jahren aber bewegte sich der Autofahrten-Anteil konstant um die 25 Prozent.
Der Elefant im Raum
Um die selbst gesteckten Ziele – deren Nicht-Erreichung keine Repressalien nach sich zieht – zumindest in Zukunft dennoch zu erreichen, schlägt Leth eine Reihe an Maßnahmen vor. Wichtigster Hebel dabei seien die Parkplätze. Für ihre Regulierung spiele ebenfalls die Bauordnung eine zentrale Rolle: „Beim Neubau gibt es derzeit eine Mindestzahl an Parkplätzen, die errichtet werden muss“, sagt Leth. „Andere Städte sind da weiter und haben eine Höchstzahl.“ Denn die Vielzahl der Parkplätze fördere den Autobesitz und damit auch die Autonutzung.
Ähnliches gilt aber nicht nur für Gebäude, sondern auch für den öffentlichen Raum. Rund 480.000 öffentliche Parkplätze gebe es in Wien. Zusammengelegt sei die Fläche so groß wie der 7., 8. und 9. Bezirk zusammen, sagt Leth. Nur durch die Reduktion von Parkplätzen, kleineren Parkpickerlzonen und generell höheren Preisen für das Parkpickerl lassen sich die Autofahrten reduzieren, so der Experte.
Flächendeckendes Tempo 30 auf allen Hauptstraßen sei zudem wünschenswert. Würde die Stadt all diese Maßnahmen umsetzen und dadurch den Autoverkehrsanteil auf 15 Prozent reduzieren, wäre das gesamte Stadtgebiet entlastet und der Elefant im Raum – der Lobautunnel – würde obsolet, so Leth.
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