Klimademo-Prozess: Aktivist freigesprochen
Als Simon F. am Montag den Gerichtssaal im Landesgericht für Strafsachen in Wien betrat, wurde er erneut von Sympathisanten begleitet. Simon F. ist jener 22-jährige Student, der nach der Klimademo am 31. Mai wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt war.
Neue Videos
Rechtsanwalt Clemens Lahner hatte bereits im Vorfeld „zusätzliches Videomaterial und neue Zeugen“ angekündigt. Es sagten fünf weitere Teilnehmer aus. Das war besonders bemerkenswert. Denn sie riskierten dadurch, Verwaltungsstrafen wegen der damaligen Blockade zu bekommen. Aber die Wahrheitsfindung war ihnen wichtiger.
Live aus dem Gerichtssaal des Klimademo-Prozesses
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Freispruch für 22-jährigen Aktivisten
Es ertönt Applaus im Saal, als der Richter das Urteil verkündet. Der 22-jährige Aktivist wird freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Auf den Videoaufnahmen hätte man laut dem Richter nur passiven Widerstand des Aktivisten erkennen können. Gleichzeitig sieht er aber auch kein Fehlverhalten der Polizei. Die Beamten hätten "sehr zurückhaltend agiert."
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In Wien wird wieder blockiert
Während der Prozess läuft, finden in Wien die nächsten Verkehrsblockaden statt. Derzeit haben sich Aktivisten auf der Mariahilfer Straße versammelt, um den Verkehr anzuhalten. Laut Polizei gab es bisher aber keine gravierenden Vorfälle.
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"Oida" nach Klima-Kritik der Staatsanwältin
Das Publikum ist zornig, nachdem die Staatsanwältin am Wort ist. Laut ihr, gab es keine unkooperative Polizei und es ginge heute auch nicht darum, ob jemand vor einem Polizeiauto lag. Es ginge um zivilen Ungehorsam. Durch den Protest Ende Mai, musste der Wiener Ring gesperrt werden, "was irrsinnig viel Co2 durch den Stau produzierte". Die Staße sei nachher voller Müll gewesen. "Oida" rufen Aktivisten aus dem Publikum.
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Richter erinnert an Wahrheitspflicht
Nach der Aussage des Zeugen, dass er sich zwar an die angeblich brutalen Handlungen der Polizei, nicht aber an den vorgeworfenen Widerstand erinner könne, ermahnt der Richter: "Daran können Sie sich sehr lebhaft erinnern, an anderes können Sie sich nicht erinnern? Sie stehen unter Wahrheitspflicht." -
Zeuge spicht von Polizeigewalt
Ein Aktivist aus Oberösterreich ist am Wort. Er saß während der Festnahme des Angeklagte rund zwei Meter vom Geschehen entfernt. "Es gab einen Disput um den Rucksack. Plötzlich sind die Polizisten fast auf ihn drauf gesprungen. Sein Gesicht ist auf den Asphalt geklascht. Das war nicht schön anzusehen."
Ein Aktivist aus Deutschland sagt, dass es rund gegangen sei und es einen Tumult gegeben hätte: "Der Polizist hat sich auf ihn drauf gestürzt. Er hat seinen Nacken und das Gesicht so hart auf den Boden gedrückt, dass eine Platzwunde an der Stirn entstanden ist."
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Zeugin spricht von "passivem Widerstand"
Nun wird eine Zeugin befragt. Die Frau ist eine Aktivistin und kommt aus Italien. Laut ihrer Aussage habe der Angeklagte nur "passiven Widerstand" geleistet, indem er seinen Rucksack festgehalten hat.
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Jetzt spricht der Polizist
Der Beamte, gegen den selbst wegen Körperverletzung ermittelt wird, ist am Wort: "Als ich in seinen Rucksack gegriffen habe, hat er in Richtung eines Kollegen getreten und wollte seinen Rucksack greifen. Danach haben wir versucht, ihn in Bauchlage zu bringen. Am Anfang war er ziemlich renitent, als der Rucksack weg war, ist er wieder ganz ruhig gewesen. Im Polizeianhaltezentrum konnte man dann wieder ganz normal mit ihm sprechen."
Verteidiger Clemens Lahner fragt den Polizisten: "Bei den Festnahmen an denen Sie beteiligt waren, gab es den Vorwurf überschießender Polizeigewalt. Ist das ein Zufall?"
Polizist: "Ja."
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"Kommts Burschen, ihr seids ja keine Verbrecher"
Die Videovorführungen sind beendet. Der Richter zitiert aus dem Amtsvermerk: Der Angeklagte hätte eine "tobende Art und Weise" bei der Kontrolle seines Rucksacks gezeigt. Auf den Videos, die der Anwalt des Angeklagten als Beweismittel eingebracht hat, sind weder gewaltbereite Demonstranten noch prügelnde Polizisten zu sehen. Die Beamten fordern die Aktivisten, die eine Sitzblockade machen auf, die Straße zu räumen: "Kommts Burschen, geht's weg. Ihr seid's ja keine Verbrecher", ist auf den Video zu hören. Der Angeklagte meint zum Richter, die Polizisten hätten die Beamten eine Zeit lang sitzen lassen können, "es ist ja nicht die Aufgabe der Polizei, die Straße frei zu räumen."
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Erste Eindrücke vom Prozess
Der Gerichtssaal ist voll, das Medieninteresse sehr groß.
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Videovorführungen
Der Prozess beginnt mit Videovorführungen der Klimademo Ende Mai. Unsere Reporterin im Gerichtssaal, Michaela Reibenwein, schildert, was zu sehen ist. Zunächst wird demnach eine Sequenz gezeigt, in der Polizei Demonstranten die eine Sitzblockade machen, wegträgt. In einem anderen Video ist zu sehen, dass der Angeklagte ruhig am Boden sitzt und eine blutende Wunde am Kopf hat. Die Polizei bringt ihn daraufhin zu einem Rettungswagen. -
Demonstranten versammeln sich, Polizei sichert Gericht
Um 9.30 Uhr soll der Prozess rund um die Klimademo starten. An der Alser Straße haben sich schon vorab Aktivisten versammelt, um ihre Solidarität mit dem 22-jährigen Angeklagten zu zeigen. Ihre Mahnwache soll auf Polizeigewalt und Repression aufmerksam machen.
Die Bereitschaftseinheit der Wiener Polizei hat sich mit acht Beamten vor dem Gericht eingefunden, um den Eingang abzusichern. Der Angeklagte ist bereits im Gericht.
Auslöser für die Zwischenfälle bei der Klimademo war eine Straßensperre bei der Urania durch mehrere Teilnehmer. Sie wollten den Verkehr blockieren. Als die Polizei eingriff, kam es zu unschönen Szenen, die danach auch als Videos im Netz kursierten.
Auch Simon F. war einer der Blockierer. Er hatte sich auf die Straße gelegt. Dann, so schilderte er bereits vor Gericht, sei er von Polizisten in einen abgeschirmten Bereich weggetragen worden. Er habe sich dort geweigert, den Beamten seinen Rucksack auszuhändigen. Und dann hatte Simon F. plötzlich eine blutende Rissquetschwunde auf der Stirn.
„Ich wurde gestoßen und bin mit dem Kopf auf dem Asphalt aufgeschlagen“, sagt Simon F. „Er hat sich die Wunde selbst zugefügt, während er sich gewehrt hat“, sagt ein Polizist.
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