Anklage wegen Kinderpornografie: Teichtmeister vom Burgtheater entlassen
58.000 Dateien mit kinderpornografischem Material auf mehr als 20 Datenträgern. Diesen Fund sollen Ermittler im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei Film- und Burgtheaterschauspieler Florian Teichtmeister gemacht haben. Insgesamt 13 Jahre, von 2008 bis 2021, hortete der Künstler einschlägige Fotos Minderjähriger – zumindest wirft ihm das die Staatsanwaltschaft Wien vor. Aufgeflogen war das alles, weil seine damalige Lebensgefährtin ein Bild am Handy des 43-Jährigen entdeckte und die Polizei informierte.
Öffentlich bekannt wurden die schweren Vorwürfe schließlich am Freitagvormittag, als Ö1 und die Gratiszeitung Heute aus dem Strafantrag zitierten. Dieser hat es in sich: Der Beschuldigte soll über Jahre hinweg im Darknet explizite Abbildungen von Minderjährigen heruntergeladen haben. Teilweise dürfte er sogar selbst zur Kamera gegriffen haben: Wie der ORF berichtet, soll Teichtmeister Minderjährige an Drehorten fotografiert und pornografische Collagen erstellt haben.
Gerüchte rund um Ermittlungen gegen einen prominenten Schauspieler kursierten schon länger. Auch von Kinderpornografie war die Rede. Aber erst jetzt wurde von Christina Salzborn, Sprecherin des Wiener Landesgerichts, bestätigt, dass sich der 43-Jährige Anfang Februar für die Anschuldigungen vor dem Richter verantworten muss.
ORF und Oscar-Chance
Die Causa betrifft einen Schauspieler, der im ORF (zuletzt „Die Toten von Salzburg“) und in Filmen ein breites Publikum erreichte und stets prominent auf der Bühne stand. In vielen Produktionen an der Josefstadt, dann als Ensemblemitglied am Burgtheater. Seit Oktober spielte er dort die Hauptrolle in der Daniel-Kehlmann-Adaption „Nebenan“.
Und die Anklage gegen Teichtmeister macht auch wohl die besten Chancen auf eine Oscar-Nominierung zunichte, die Österreich seit Langem hatte: Er spielt in Marie Kreutzers „Sisi“-Film „Corsage“ den Franz Joseph; der Film steht derzeit auf der Shortlist für eine Nominierung in der Kategorie Fremdsprachiger Film.
Schauspieler Teichtmeister angeklagt
Im Kino zu sehen ist der Film nicht mehr: Er wurde ebenso aus dem Programm gestrichen wie die Teichtmeister-Produktionen im ORF: „Der ORF nimmt mit sofortiger Wirkung von Herstellung und Ausstrahlung von Produktionen mit Florian Teichtmeister Abstand“, hieß es am Freitagnachmittag.
Das Burgtheater hat den Schauspieler nach Bekanntwerden des Strafantrags entlassen – und betont nach einer Anfrage des KURIER: „Bis zum heutigen Tag lagen uns keine Grundlagen für eine arbeitsrechtliche Konsequenz vor, es gilt in Österreich die Unschuldsvermutung.“
Die Frage, wie das Burgtheater, der ORF und die gesamte Kulturbranche auf die bisherigen Gerüchte um Teichtmeister hätte reagieren sollen oder können, wird erwartungsgemäß noch Thema sein und werden.
Geboren wurde Teichtmeister am 4. November 1979 in Wien, wo er auch das Max-Reinhardt-Seminar besuchte. Bereits 2001 spielte er in "norway.today" am Volkstheater, wofür er im Jahr darauf mit dem Karl Skraup-Preis ausgezeichnet wurde. Ab 2005 war er Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt und wechselte mit der Saison 2019/20 ins Ensemble des Burgtheaters.
2013 gewann Florian Teichtmeister den Publikumspreis beim Nestroy-Theaterpreis und war 2016 in der Kategorie "Bester Schauspieler" nominiert. Am Burgtheater ist er derzeit in der Hauptrollen in Daniel Kehlmanns "Nebenan" und Oscar Wildes "Bunbury" zu sehen, weiters steht er in Shakespeares "Der Sturm" auf der Bühne. Eine Reaktion des Burgtheaters über das weitere Vorgehen steht derzeit noch aus.
Aber auch die heimische Fernsehlandschaft wurde in den vergangenen Jahren von Florian Teichtmeister mitgeprägt. Der 43-Jährige war in bekannten Serienformaten wie "Kommissar Rex", "SOKO Kitzbühel" oder dem "Tatort" zu sehen. Fix zur Stammbesetzung gehört Teichtmeister seit 2016 als Major Peter Palfinger in "Die Toten von Salzburg".
Und schließlich war der Schauspieler auch im Kino wiederholt präsent. Im "Fall des Lemming" (2009) war Teichtmeister ebenso zu erleben wie in Sebastian Brauneis Debüt "Zauberer" (2018). Derzeit ist der Schauspieler gleich in zwei heimischen Produktionen im Kino zu erleben: In Marie Kreutzers hochgelobter Sisi-Parabel "Corsage" spielt er Kaiser Franz Jospeh, in Ruth Maders Glaubensthriller "Serviam" ist er als Vater zu sehen.
Geständig
Teichtmeister wird bezüglich der Anklage wohl geständig sein. Einer seiner Rechtsanwälte, Michael Rami, teilte dem KURIER mit, dass sich sein Mandant im Hauptverfahren schuldig bekennen werde: „Er hat immer mit den Behörden kooperiert und befindet sich seit zwei Jahren in psychologischer Behandlung.“ Ziel der Behandlung sei es, „seelische Probleme aufzuarbeiten, die ihn zum Besitz der besagten Dateien gebracht hatten“.
Der Schauspieler selbst soll bei Einvernahmen gesagt haben: „Mir hat diese Illegalität einen Kick gegeben, an meine Grenzen geführt. Leider habe ich die Kontrolle darüber verloren.“ Kinderpornos weitergegeben hat Teichtmeister dem aktuellen Ermittlungsstand zufolge nicht.
Die Menge der einschlägigen Dateien könnte übrigens noch größer sein, als bisher bekannt. In einem psychiatrischen Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft wird auf die ungewöhnlich große Menge an Daten hingewiesen. Eine vollständige Sichtung sei bisher noch gar nicht möglich gewesen. Und das, obwohl die Ermittlungen dem Vernehmen nach bereits eineinhalb Jahre laufen.
Kinderpornografie. In der österreichischen Kriminalstatistik wird die „pornografische Darstellung Minderjähriger“ eigens erfasst. Sowohl international als auch in Österreich haben die gemeldeten Fälle in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Belief sich die Anzahl der angezeigten Straftaten 2015 auf 465, waren es 2021 bereits 1.921.
Laut Bundeskriminalamt spielen in der Verbreitung von kinderpornografischem Material die sozialen Medien eine entscheidende Rolle. Auch die Pandemie könnte die Zahlen weiter in die Höhe getrieben haben. Europol warnte im Frühjahr 2020 angesichts der anstehenden Covid-Maßnahmen, dass verstärkte Internetnutzung auch zu mehr sexuellem Missbrauch Unmündiger im virtuellen Raum führen könnte.
Der Jahresbericht der österreichischen Online-Meldestelle „Stopline“ 2021 bestätigte diese Befürchtung. Demnach brachte die Pandemie einen Rekord an einschlägigen Meldungen. Ein Großteil der verdächtigen Websites stammte aus dem Darknet.
Bei „Stopline“ wird auch an die Eltern appelliert, nicht unüberlegt Fotos der eigenen Kinder ins Netz zu stellen. Besonders, wenn diese darauf nur wenig bekleidet sind.
Ausgewertet wurden bisher sichergestellte Smartphones, Laptops, externe Festplatten, USB-Sticks sowie Speicherkarten. In dem umfangreichen Ermittlungsverfahren wurden auch einige Vorwürfe gegen Teichtmeister fallen gelassen. Um welche es sich konkret handelt, war vorerst nicht bekannt.
Für die noch aufrechten Vorwürfe übernimmt der 43-Jährige seinem Anwalt zufolge aber die volle Verantwortung. Dieser betont jedoch, sein Mandant habe nie Minderjährige angerührt. Es handle sich demnach um ein „digitales“ Delikt. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe für die pornografische Darstellung Unmündiger bzw. Besitz von einschlägigem Material.