Jugendliche mit Malaria infiziert: Kommission prüft Hintergründe

Jugendliche mit Malaria infiziert: Kommission prüft Hintergründe
Bis in die 1960er-Jahre war die Fieberkur in Fachkreisen akzeptiert.

Jugendliche, die in Heimen untergebracht waren, wurden in den 1960er-Jahren im Wiener AKH mit Malaria infiziert. Das geht aus Krankenakten und Aussagen von Betroffenen hervor. Eine Experten-Kommission untersucht seit dem Bekanntwerden der sogenannten Fieberkuren vor etwa zwei Jahren die Hintergründe der medizinischen Behandlungen mit Malaria-Erregern.

Wie Gernot Heiss, der Leiter der Kommission, erklärt, war diese Vorgehensweise gängige medizinische Praxis. "Die Malaria-Therapie wurde damals international als ungefährlich angesehen", sagt Historiker Heiss im KURIER-Gespräch. Ursprünglich wurde die Therapie in den 1920er-Jahren vom Arzt Julius Wagner-Jauregg zur Behandlung der Spätfolgen von Syphilis eingesetzt. Dafür erhielt der Mediziner den Nobelpreis.

Später wurde die Therapie – eine bewusste Infektion mit dem Erreger Plasmodium vivax, um hohe Fieberschübe zu erzeugen – auch bei Jugendlichen angewandt, um Schizophrenie und andere Erkrankungen zu behandeln.

Angst vorm Sterben

In den 1960er-Jahren litten Jugendliche in der psychiatrischen Abteilung des AKH – nach ihrem Leiter "Klinik Hoff" genannt – Todesqualen mit mehr als 41 Grad Fieber. Mehrere Betroffene haben dem KURIER ihr Schicksal geschildert. So wurden Wilhelm Jäger und Peter Schleicher damals mit Malaria infiziert. "Um uns unsere Flausen aus dem Kopf zu treiben", wie sich Schleicher erinnert. Er wurde 1962 im AKH mit Fieberkur behandelt. "Fürchtet sich zu sterben", notierte der Arzt am Krankenblatt.

Auch die Heimkinder Robert B. und Renate R. (Namen der Redaktion bekannt) sind in den 1960er-Jahren in die Klinik Hoff zur Malaria-Therapie überwiesen worden. "Ich hatte einen Selbstmordversuch vorgetäuscht, um aus dem Heim wegzukommen", sagt Robert B. Renate R., zuvor in einem Heim in Salzburg, wurde mit 15 eingewiesen und mit Fiebertherapie versehen, weil sie gerne abends ausging und sich mit Burschen traf. Renate R. war ein Jahr in der Klinik, wo sie nach eigenen Angaben elf jeweils zweiwöchigen Fieberkuren unterzogen worden ist. Dazwischen musste sie dem Personal helfen. "Ich sah Mädchen, die mit Elektroschocks behandelt wurden. Die hatten Schaum vorm Mund. Ich habe sie dann mit Joghurt, Zitronensaft und Kandisin gefüttert."

Die Kommission unter der Leitung von Historiker Heiss wird ihren Endbericht im kommenden Jahr veröffentlichen. Bisher untersuchte sie 5140 Krankenakten aus den Jahren 1955 bis 1960. 230 Personen – darunter auch Kinder aus Heimen – sind in diesem Zeitraum mit Malaria infiziert worden.

Bis zum Endbericht soll auch geklärt werden, ob die Behandlungen seinerzeit als medizinisch notwendig erachtet wurden, oder möglicherweise durchgeführt wurden, um Malaria-Tests zu entwickeln. Kontakt mit ehemaligen Patienten sieht die Kommission nicht als notwendig an.

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