Hochgeschwindigkeitsstrecke: Weitere Züge verloren Bauteile

Die Neubaustrecke
Zwischen Wien und St. Pölten gab es weitere, bisher unbekannte Vorfälle.

Österreich hat ein Schienennetz von knapp 6000 Kilometern. In diesem riesigen Bereich wurden heuer zwei Mal Metallteile von Zügen während der Fahrt verloren – wenn man die 44 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Wien und St. Pölten ausklammert: Alleine auf diesem kurzen Abschnitt wurden im selben Zeitraum gleich vier solcher Vorfälle registriert.

Diese Zahlen gab das Verkehrsministerium nun auf Anfrage des KURIER heraus. Höhepunkt war, wie berichtet, vergangenen Freitag der Nachtzug NizzaMoskau, bei dem in einem Tunnel eine Tür verloren ging. Ein deutscher ICE fuhr auf die Tür auf, entgleiste, musste notbremsen und evakuiert werden.

Dass Züge während der Fahrt Metallteile bis hin zu ganzen Türen verlieren, kommt zwar selten vor, kann im Fall des Falles aber sehr gefährlich werden. Je höher die Geschwindigkeit, desto dramatischer – auf der Strecke WienSt. Pölten werden immerhin 230 km/h erreicht.

Die deutsche ICE-Flotte verlor auf dem gesamten deutschen Streckennetz zwei Mal in fünf Jahren Zugtüren. In Österreich gab es ebenso viele solcher Vorfälle innerhalb von vier Jahren – allerdings auf der weitaus kürzeren Neubaustrecke in Niederösterreich.

Viele "Einzelfälle"

Fünf Vorfälle gab es dort bereits in den Jahren 2012 und 2013: Bei der Westbahn gingen kurz hintereinander zwei Mal während der Fahrt Türen auf, ein ÖBB-Railjet verlor eine Waggontür gleich komplett. Auch bei einem Intercity öffneten sich Türen. Ebenfalls 2013 überfuhr ein Railjet im Wienerwaldtunnel mit 180 km/h zwei Blechplatten, die von einem entgegenkommenden Testzug stammten.

Insgesamt sind seit der Eröffnung der Strecke im Jahr 2012 neun schwerwiegende Fälle bekannt; in Eisenbahn-Fachforen ist noch von weiteren Vorfällen die Rede. Drei in diesem Jahr verlorene Teile auf der Neubaustrecke konnten bisher nicht einmal einem Zug zugeordnet werden.

"Die Meldungen wurden von der (Unfalluntersuchungsstelle, Anm.) VERSA gesichtet, falls notwendig wurden Untersuchungen gestartet. Diese sind noch nicht zur Gänze abgeschlossen", teilt Elisabeth Mitterhuber vom Kabinett des Verkehrsministers Jörg Leichtfried (SPÖ) dem KURIER mit. "Wir nehmen den aktuellen Fall zum Anlass, um genauere Prüfungen zu beauftragen."

"Beschwichtigend"

Eisenbahn-Gewerkschafter Roman Hebenstreit kritisiert die "beschwichtigenden Aussagen zur Häufung derartiger Vorfälle. Die Behörden haben umgehend einzuschreiten. Es darf nicht tatenlos zugesehen werden, wenn Fahrgäste und Personal gefährdet werden."

Mögliche Gründe für die Häufung der Vorfälle gibt es viele; die schlimmste wäre, dass die Tunnels zu klein dimensioniert sind – dadurch würde sich die Sogwirkung verstärken. Die Westbahn hat 2012 die Ursache für ihre Türprobleme in Windverwirbelungen der Railjets gesucht – was die ÖBB bestreiten.

Ein Grund könnte auch der sogenannte Mischverkehr sein: Auf manchen Hochgeschwindigkeitsstrecken sind nur eigens dafür konzipierte Züge unterwegs, auf der Neubaustrecke in NÖ hingegen auch Regional- und Güterzüge. Allerdings ist dies auch in anderen Ländern der Fall.

Im neuen St.-Gotthard-Tunnel in der Schweiz wurde ein Sicherheitssystem eingebaut: Jeder Zug wird automatisch auf allfällige Beschädigungen gescannt und bei Auffälligkeiten sofort gestoppt. So ein System ist allerdings ziemlich teuer.

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