Hitzeinsel Stadt: Heißes Pflaster und die Suche nach Oasen
Warum es in Städten im Sommer oft unerträglich heiß wird und wie das Problem gelöst werden kann, lässt sich in Wien-Währing innerhalb eines Straßenzugs erspüren. Im oberen Bereich der Cottagegasse spenden die Kronen alter Bäume Schatten, in den bepflanzten Vorgärten blühen Hortensien. Eine kühle Brise streicht durch die Blätter, im Gebüsch zwitschern Vögel. Zweihundert Meter weiter unten hat sich eine Beton-Wüste ausgebreitet – die sich auch genau so anfühlt. Die Fassaden schließen direkt an den Gehsteig an, die Sonne knallt auf den Asphalt.
„Hier kann man lernen, dass in Bereichen mit Grünstrukturen das Temperaturempfinden deutlich anders ist. Das hat damit zu tun, dass wir mit Pflanzen eine tatsächliche Abkühlung erreichen“, sagt Rosemarie Stangl. Sie forscht an der Universität für Bodenkultur (BOKU) unter anderem zu grüner Infrastruktur. Das mitgebrachte Heim-Thermometer gibt ihr recht: Knapp 34 Grad zeigt es im dicht verbauten Abschnitt der Cottagegasse an, rund 31 im grünen Teil.
Der Effekt sei darauf zurückzuführen, dass Pflanzen Wasser aus dem Boden und der Luft verdunsten, erklärt Stangl. Die dabei frei werdende Verdunstungskälte führe zu einer Abkühlung. „Im Lauf des Tages nimmt der Unterschied sogar noch zu“, sagt die Professorin. „Weil sich die Wände aufwärmen und Hitze abstrahlen – bis in der Nacht.“
Kaum Luftaustausch
Dieses Phänomen ist mitverantwortlich für die Entstehung sogenannter Urban Heat Islands (UHI). Diese Hitzeinseln – vorwiegend in dicht verbauten Kerngebieten – wärmen sich besonders stark auf, es findet kaum Luftaustausch statt. Und auch die Nacht bringt keine Abkühlung mehr.
Um Hitzeinseln zu verringern bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen, entwickelte die Stadt Wien 2015 einen Strategieplan mit 37 Gegenmaßnahmen. Dazu gehören etwa begrünte Dächer und Fassaden sowie ein Ausbau der sogenannten blauen Infrastruktur – also Naturräume am/mit Wasser (siehe unten). Graz hat sich dieses Paket zum Vorbild genommen. Im Oktober soll der Gemeinderat eine UHI-Strategie beschließen.
Doch die Umsetzung derartiger Maßnahmen sei komplex, sagt Jürgen Preiss, UHI-Programm-Koordinator der MA 22 (Umweltschutzabteilung). Viele Dienststellen, Firmen und Private müssten dazu zusammenarbeiten. Ein Hebel für grünere Städte ist aus seiner Sicht die Bauordnung: Über sie könnten Maßnahmen wie Dachbegrünungen verankert werden.
Ungleich verteilt
Letztere seien eine Option, vor allem dicht bebaute Bezirke zu kühlen, sagt Stangl. „Im Vergleich mit anderen Städten ist der Grünanteil Wiens insgesamt hoch“, räumt sie ein. Aber: „Vor allem in den Innenstadt-Bezirken ist viel graue Infrastruktur (Asphalt, Fassaden, Anm.) konzentriert. “
Die Bevölkerung nehme vermehrtes Grün jedenfalls positiv auf, sagt Preiss. Wenn die Bewohner sehen, dass in dem grünen Dickicht an den Hauswänden Vögel nisten, dann führe das oft zu einer engen Bindung zwischen Bewohnern und dem Fassadengrün. Preiss: „Früher haben sich die Menschen an Bäume gekettet, heute hängen sie an ihren Kletterpflanzen.“
Mitarbeit: Alina Neumann
Natürliche Klimaanlage
Unter einer Blätterkrone ist die Lufttemperatur zwei bis drei Grad geringer als in einem Straßenabschnitt ohne Baum. Ist der Bereich rund um den Stamm offen – also nicht zubetoniert und bepflanzt –, sinkt die Oberflächentemperatur unter der Krone um bis zu 20 Grad.
Neben Dächern und Fassaden eignen sich Parkstreifen zur Schaffung von Verdunstungsflächen. Rasengittersteine, Kunstharzbeläge oder Schotterrasen sind wasserdurchlässige Asphalt-Alternativen, die parkende Kfz tragen.
Wasser statt Wüstengrade
Nicht nur im Schwimmbad, auch in der Stadtplanung kann Wasser für Erfrischung sorgen. An heißen Tagen verdunstet das Wasser aus städtischen Flüssen, Teichen oder Seen – auch blaue Infrastruktur genannt – und kühlt so die Umgebung. Dieser Effekt kann durch die Ufergestaltung noch verbessert werden: Je dichter die Vegetation in Wassernähe, desto höher sind Verdunstung und Luftfeuchtigkeit.
Das will sich die Stadt Wien zunutze machen. Ihr Strategieplan gegen Hitzeinseln (siehe oben) schlägt vor, den Anteil offener Wasserflächen zu erhöhen. Wie etwa in der Seestadt Aspern, wo derzeit ein See inklusive Park angelegt werden.
Eine ähnliche Wirkung kann gezieltes Regenwassermanagement haben, wie es die Stadt Graz künftig forcieren möchte. „Wir wollen das Wasser in der Stadt speichern“, sagt Dominik Piringer vom Umweltamt.
Sperrzone Kanal
Ziel ist es, den Niederschlag nicht in den Kanal fließen zu lassen, wie es momentan der Fall ist. Stattdessen soll Regenwasser im Stadtgebiet direkt in den Boden sickern oder auf Dächern gesammelt werden. So steht das Wasser Pflanzen zur Verfügung, kann an heißen Tagen verdunsten und senkt dadurch die Außentemperatur.
Für Jürgen Preiss von der Wiener Umweltschutzabteilung sind deutsche Städte Vorbild beim Regenwassermanagement. Denn in der Bundesrepublik müssen Grundstücksbesitzer für das Einleiten von Regenwasser in den Kanal eine Gebühr bezahlen. So soll mehr Niederschlag im Erdreich versickern.
Ein gelungenes Wiener Projekt in Sachen Regenwassermanagement sei der Bruno-Kreisky-Park, sagt Preiss. Dort wurde eine Sickermulde errichtet und zwei bestehende Kanaldeckel mit einer speziellen Klappe ausgestattet. Im Winter rinnt das Streusalz enthaltende Wasser in den Kanal ab, im Sommer schließt sich die Klappe und der Niederschlag verdunstet in der Mulde.
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