Historisches Grün: Wo die alten Wiener gedeihen

Historisches Grün: Wo die alten Wiener gedeihen
Im Wiener Stadtgebiet findet man mehrere hundert Jahre alte Bäume. Einer stammt sogar noch aus der Römerzeit.

Um die mittlerweile berühmte Platane vor dem Café Eiles in der Josefstadt herrscht dieser Tage ein ziemliches G’riss. Und das nicht nur sprichwörtlich: In der Nacht auf Dienstag wird der etwa 80 Jahre alte und knapp 20 Meter hohe Baum, der einem neuen U-Bahn-Aufgang weichen muss, unter enormem Aufwand auf den Schmerlingplatz verpflanzt.

Ob dieser Aufwand gerechtfertigt ist, darüber scheiden sich die Geister. Fakt ist: 80 Jahre sind ein solides Alter für einen Straßenbaum. Grundsätzlich gehen die Wiener Stadtgärtner davon aus, dass ein solcher Baum 70 Jahre alt wird, sagt Karl Hawliczek. Er ist Leiter des Bereichs städtische Grünflächen und Parkerhaltung in der MA 42 (Stadtgärten) – und damit Herr über die rund 90.000 Straßenbäume Wiens. Wie lange ein Baum durchhält, hängt von mehreren Faktoren ab: Allen voran von der Baumart und vom Standort.

Römisches Erbe

In Wien stehen jedoch auch Bäume, die weit älter sind als die Josefstädter Platane: Man muss nur wissen, wo man sie findet – denn nicht alle sind frei zugänglich. Der älteste Wiener Baum ist einer davon. Im Garten des Europäischen Patentamts am Rennweg 12 wächst eine 1.000-jährige Eibe. Der Überlieferung nach ist sie der Rest eines Eibenhaines aus der Römerzeit und das älteste der mehr als 400 städtischen Naturdenkmäler.

Historisches Grün: Wo die alten Wiener gedeihen

Die 1.000-jährige Eibe hat schon viel erlebt

Nur ein Grundstück weiter, vor dem Botanischen Garten (Hausnummer 14), findet sich der älteste, frei zugängliche Straßenbaum der Stadt: Die orientalische Platane wurde laut Baumkataster im Jahr 1739 gepflanzt und ist somit stolze 280 Jahre alt. Alte Bäume gibt es aber auch rund um den Ring, wie im Stadt- und im Rathauspark. In Letzterem etwa eine ahornblättrige Platane aus dem Jahr 1783.

Grundsätzlich werden langsam wachsende Hölzer wie Eiben, Linden oder Eichen besonders alt, sagt Wiens Forstdirektor Andreas Januskovecz. Er muss es wissen, denn unter seiner Aufsicht gedeiht am Johannser Kogel im Lainzer Tiergarten ein seit 1972 streng geschützter Urwald, der nur selten betreten werden darf (siehe Kasten links). Bis zu 500 Jahre alt sind die Eichen, die hier sich selbst überlassen tun dürfen, was Eichen eben so tun.

Historisches Grün: Wo die alten Wiener gedeihen

Das Schutzgebiet Johannser Kogel im Lainzer Tiergarten ist mehr als 45 Hektar groß

Neue Arten

Heute werden im urbanen Raum jedoch bevorzugt andere Arten gepflanzt. Diese sind resistenter gegenüber Stressfaktoren in einer Stadt (wie Abgasen, Salz, versiegelte Böden) und kommen auch mit dem Klimawandel besser zurecht. So ist aktuell der ursprünglich aus Australien stammende Zügelbaum „einer unserer Top-Favoriten“, sagt Hawliczek. Mit diesem wird auch seit einigen Jahren die Ringstraße aufgeforstet. Das kann sich aber wieder ändern: „Unser Sortiment ist sehr diffizil und immer in Bewegung.“

Rund 25 Arten haben die Wiener Stadtgärten im Sortiment. Neue Kandidaten werden in der Baumschule Mauerbach getestet, in der sich auch noch Linden aus dem 17. Jahrhundert finden. Wenn sich eine Art dort und dann im Testbetrieb im Straßenraum bewährt, wird sie ins Sortiment aufgenommen.

Was sich nicht ändert, ist die Funktion der Bäume: Neben Schatten sorgen sie für ein besseres Klima. Ein ausgewachsener Baum verdunstet pro Tag bis zu 1.000 Liter Wasser und kühlt damit die Umgebung um bis zu sechs Grad herunter, erzählt Januskovecz. „Deswegen verstehe ich auch alle, die sagen, man muss jeden Baum schützen.“

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