Heumarkt zu hoch: UNESCO lässt Wien erneut auf Roter Liste

So wollen die Investoren ihr Projekt am Heumarkt umsetzen, die Unesco ist dagegen.
Der überraschende Vorstoß, mit einer Hochhausverbotszone in der Innenstadt die Welterbe-Hüter noch gnädig zu stimmen, ist offenkundig gescheitert. Denn Wien muss ein weiteres Jahr auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes verbringen – das steht jetzt so gut wie fest. Denn laut der fünfseitigen „Draft Decision“ (Entscheidungsentwurf), die dem KURIER vorliegt, wird das Welterbe-Komitee beschließen „das historische Zentrum von Wien in der Liste des gefährdeten Welterbes zu belassen“. Der formale Beschluss erfolgt dann auf der Welterbekonferenz (6. bis 16. Juli) in Paris.
Für Wien, das wegen des umstrittenen Heumarkt-Projekts seit 2017 auf der Roten Liste steht, ist die bevorstehende Entscheidung eine weitere Niederlage. Denn eigentlich wollte man schon im Vorjahr (vor der Wien-Wahl) eine Streichung erwirken – was allerdings nicht gelungen ist. Immerhin gab es einen kleinen Erfolg, denn Welterbe-Direktor Lazare Eloundou Assomo persönlich offerierte die Perspektive, dann 2025 von der ominösen Liste genommen zu werden. Das ist nun wieder nicht gelungen – hat aber weniger mit dem nicht-realisierten Hochhausverbot in der Innenstadt zu tun, das sich in der abgelaufenen Legislaturperiode nicht mehr „ausgegangen“ ist, sondern einzig und allein mit dem schwelenden Konflikt am Heumarkt.
Denn beim umstrittenen Turm-Projekt von Investor Michael Tojner gab es seither keine Fortschritte und auch keine weiteren Redimensionierungen. Und die UNESCO lässt laut „Draft Decision“ auch keinerlei Kompromisse erkennen und pocht auf eine Welterbe-verträgliche Lösung. So wird „ein weiterer überarbeiteter Entwurfsvorschlag“ gefordert, der auf den vier von einer UNESCO-Expertenmission vorgeschlagenen Optionen „beruhen sollte“. Diese vier Varianten, die vor einem Jahr als Ausweg aus der vertrackten Situation vorgeschlagen wurden, sehen eine deutliche Verkleinerung des Heumarkt-Projekts vor.
Bei drei Varianten müssen die Baukörper auf Höhe der umliegenden Gründerzeithäuser gestutzt werden; bei der für den Investor „günstigsten“ vierten Variante müsste der Wohnkomplex niedriger als das bestehende Hotel Intercontinental (38 Meter) ausfallen. Alle bisherigen Varianten von Wertinvest sehen allerdings vor, dass der Wohnturm höher als das Hotel ausfällt. (siehe Infokasten).
Die geplante Umgestaltung des Wiener Heumarkt-Areals (mit Hotel Intercontinental und Eislaufverein) an der Grenze zwischen erstem und drittem Bezirk beschäftigt die Öffentlichkeit seit 2012: Ursprünglich sollte ein Luxus-Wohnturm aus der Feder des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld 74 Meter hoch werden.
Nach Kritik wegen der Lage in der Welterbe-Kernzone wurden die Höhen sukzessive reduziert. Gemäß Flächenwidmung von 2017 dürfte der Turm 66 Meter hoch werden. 2023 wurde das Projekt Heumarkt Neu mit Bauhöhen von maximal 56,5 bzw. 47,85 Metern präsentiert.
Wenig später folgte die Zusage, beim Wohnturm zwei weitere Geschoße wegzunehmen (49,95 Meter/ Heumarkt Neu 2023).
Kurz vor der Welterbe-Sitzung im Juli 2024 wurde eine neue Variante aus dem Hut gezaubert mit Höhen von 44 und 48 Metern. Doch die Welterbehüter winkten ab, selbst dieser „letzte Vorschlag“ erfülle „immer noch nicht die Anforderungen“.
Seit 2017 befindet sich Wien wegen des Heumarkt-Projekts auf der Liste der gefährdeten Welterbestätten. Auch beim Schloss Schönbrunn, seit 1996 Weltkulturerbe, kam es schon zu Interventionen aus Paris (Komet-Gründe, Fiat-Gründe).
Sollte es Wien gelingen, eine verträgliche Lösung zu finden, fordert die UNESCO neuerlich eine Expertenmission zur Bewertung und um „festzustellen, ob die Bedingungen für die Streichung aus der Liste des gefährdeten Welterbes erfüllt sind“. Nächste Chance dafür wäre dann im Sommer 2026. Zuvor muss bis 1. Februar 2026 ein neuer Zustandsbericht übermittelt werden.
Es gab aber auch Lob von der UNESCO: So habe es „erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen“ gegeben – etwa den neuen Stadtentwicklungsplan STEP 2035 und ein neues Denkmalschutzgesetz. Bei anderen potenziellen Problemzonen (Belvedere-Besucherzentrum, Hotel im Palais Schwarzenberg, U5-Bau) will das Welterbezentrum weiter voll informiert werden.
Die Stadt Wien steht laut dem UNESCO-Dossier auf dem Standpunkt, dass das Heumarkt-Projekt „bis zum Ausgang des Gerichtsverfahrens betreffend der Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auf Eis gelegt“ ist. Man wolle „in Absprache mit dem Projektwerber“ dann entscheiden, ob „ein bereits eingereichtes Projekt oder eine neue Variante weiterverfolgt werden soll“.
Unerwähnt bleibt, dass die Befreiung von der UVP erstinstanzlich durch die rot-pinke Stadtregierung erfolgte, die die eingereichten Projektvarianten – im Widerspruch zur UNESCO – als Welterbe-verträglich klassifizierte. Diese Beschlüsse fielen nach der UNESCO-Konferenz vergangenen Juli, was wohl auch erklärt, dass eine Streichung von der Roten Liste nicht zu argumentieren gewesen wäre. Zuletzt hieß es, dass frühestens 2027/28 am Heumarkt Baubeginn ist, weil die Gerichts- und Behördenverfahren so lange dauern werden.
Reaktionen der Politik
Auf den KURIER-Bericht gab es postwendend Reaktionen der Rathaus-Opposition: "Auch im Jahr 2025 schafft es die Stadtregierung nicht, die jahrelange Causa rund um das Heumarkt-Projekt zu lösen – trotz mehrfacher Ankündigungen, das Welterbe abzusichern. Für die Wiener Volkspartei ist klar: Die SPÖ-geführte Stadtregierung hat in dieser Causa jede Glaubwürdigkeit verloren“, erklärten Markus Figl, geschäftsführender Landesparteiobmann und Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, sowie VP-Planungssprecherin Elisabeth Olischar.
Ähnlich FPÖ-Planungssprecher Toni Mahdalik: "Die neuerliche Blamage Wiens durch den drohenden Verbleib auf der
Roten Liste der UNESCO ist die Quittung für die sture Bauwut von Bürgermeister Ludwig und seiner rot-pinken Spekulantenregierung.“ Die „Draft Decision“ sei jetzt eine "diplomatische Gnackwatschn": „Man hätte es wissen müssen, aber man wollte es nicht wissen, weil man im roten Rathaus längst zur Erfüllungsgehilfen-Truppe eines einzelnen Projektwerbers verkommen ist“, kritisiert Mahdalik.
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