Heumarkt-Projekt: Warum es jetzt vor Gericht hochspannend wird

Das große 3x3-Basketball-Event auf dem Heumarkt sorgte am Wochenende für Spannung pur. Der nächste Thriller in Sachen Heumarkt steht aber schon vor der Tür – nicht der Sport bietet dann die Bühne, sondern das hohe Gericht. Denn völlig überraschend hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) für 30. Juni eine neue Verhandlung anberaumt, wo es um eine hochbrisante Causa gehen soll: Warum hat die von der Stadt Wien bestellte Sachverständige Christa Reicher ihr ursprüngliches Gutachten umgeschrieben und abgemildert? Damit springt das BVwG auf einen KURIER-Bericht von Ende März auf, der viel Staub aufgewirbelt hat.
Welterbe-verträglich?
Konkret geht es um die Frage, ob das umstrittene Hochhausprojekt von Michael Tojner eine Umweltprüfung (UVP) benötigt oder nicht; bei der dann die Verträglichkeit
mit dem UNESCO-Welterbe „Wiens historisches Zentrum“ untersucht wird. Die Umweltschutzabteilung MA 22 stellte vorab fest, dass keine UVP nötig sei, da für die Sachverständige Reicher – sie ist Professorin in Aachen – die Auswirkungen auf die Welterbestätte „nicht erheblich“ seien.
Im UVP-Akt, der dem KURIER vollständig vorliegt, zeigte sich dann aber, dass Reichers Erstgutachten wesentlich kritischer ausgefallen war und dazwischen diverse Änderungswünsche von Beamten deponiert wurden (siehe Info-Box). Ebenso unberücksichtigt blieben alle anderen Gutachten zur Causa, die negativ ausgefallen waren; und natürlich die Tatsache, dass Wien seit dem Jahr 2017 auf der roten Liste des gefährdeten Welterbes steht, weil alle Projektvarianten durchgefallen sind. Im Juli wird Wien, wie berichtet, auf dieser Liste neuerlich bestätigt.
Eigentlich hätte das BVwG, das als Berufungsinstanz von Anrainern und Umweltorganisation angerufen worden war, die Causa nach der ersten Verhandlung im Dezember jetzt entscheiden sollen – stattdessen wird „das Ermittlungsverfahren wieder eröffnet“, wie es im Text der Ladung heißt. Als eine Zeugin ist Reicher vorgesehen, die dort ihre unterschiedlichen Gutachten „vom Februar 2023 (erste Version) und (...) vom April 2023 (zweite Version)“ erörtern muss.
Befangenheitsantrag gegen Gutachterin
Zeuge ist aber auch der renommierte Welterbe-Experte Michael Kloos, der in Gutachten für die UNESCO zu ganz anderen Ergebnissen gekommen ist und unter anderem „große negative Auswirkungen“ durch das Turmprojekt erkennt. Zu Wort kommen soll auch Ruth Pröckl, die nationale Welterbe-Koordinatorin im Kulturministerium.
Für Rechtsanwalt Piotr Pyka, der die Umweltorganisation „Alliance for Nature“ vertritt, ist die Wiedereröffnung des Verfahrens überraschend: „Das kommt doch sehr selten vor.“ Er wird dort Gutachterin Reicher ins Visier nehmen
und einen Befangenheitsantrag stellen: „Das Ganze hat eine schiefe Optik, denn Sachverständige müssen objektiv sein und dürfen nicht beeinflusst werden. Wir werden dazu die KURIER-Berichte vorlegen“, sagt Pyka.
In der Sache selbst ist für ihn evident, dass eine UVP kommen muss: „Die einzige Frage dabei ist nämlich: Besteht das Risiko einer Beeinträchtigung des Welterbes?“ Und das sei doch längst hinreichend belegt. Sollte das BVwG den Bescheid aufheben, wäre dies eine Blamage für Wien, wiewohl die Causa laut Pyka dann wohl den weiteren Instanzenweg nehmen werde – Richtung VfGH oder EuGH.
MA 22 wehrte sich
Aber darf Reicher, die eine Verschwiegenheitserklärung auf Lebenszeit abgegeben hat (und Anfragen unbeantwortet lässt) aussagen? Ja, beteuert eine MA-22-Sprecherin, denn vor dem BVwG gelte diese nicht. Zudem wird an die Erklärungen vom März erinnert, als man einen Einfluss der Beamten auf das Gutachten „auf das Schärfste“ zurückwies; zugleich seien solche Ergänzungsaufträge der Behörde wegen Unklarheiten und Missverständnissen Usus.
Rechnungshof: 15 Fragen
Die pikante Causa wird aber auch vom Stadtrechnungshof geprüft, an den die ÖVP kürzlich 15 Fragen gerichtet hat – „betreffend Interventionen im Zuge des UVP-Feststellungsverfahrens“. ÖVP-Planungssprecherin Elisabeth Olischar hofft dadurch auf „umfassende Transparenz“: „Sollte es beim Gutachten zu Interventionen gekommen sein, dann ist das ein Skandal – der Stadtrechnungshof wird Licht in die Sache bringen.“
Der Schlüssel zum Bau
Die Frage der Umweltprüfung (UVP) gilt als Schlüssel zur Baugenehmigung. Die Stadt Wien sieht erstinstanzlich keine Notwendigkeit – das Heumarkt-Projekt (Variante mit 56,5-Meter-Wohnturm) sei Welterbe-kompatibel.
Zwei Gutachten
Gutachterin Reicher fand zunächst, die Beeinträchtigungen seien „erheblich“ bzw. „stark“. Die barocke Sichtachse (Canaletto-Blick) werde „drastisch verändert“. Als die MA 22 auf eine Überarbeitung drängt, wird diese Kritik eliminiert.
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