Wiener Heumarkt: Verantwortung für unser Kulturerbe wahrnehmen

Seit mehreren Jahren verfolgen wir national sowie international die Entwicklungen rund um die Welterbestätte „Historisches Zentrum von Wien“, wobei selbstverständlich alle Perspektiven in dieser komplexen Sache Berücksichtigung finden müssen. Was allerdings verwundert, ist, dass sich gewisse Argumentationen trotz ihrer inhaltlichen Ungenauigkeit nach wie vor wiederfinden.
Die UNESCO-Welterbekonvention ist ein völkerrechtliches Schutzinstrument und mit 196 Unterzeichnerstaaten das global bedeutendste Übereinkommen zur Bewahrung der einzigartigen Kultur- und Naturstätten dieser Welt, die einer Vielzahl an Bedrohungen ausgesetzt sind. Diesen Bedrohungen – von kriegerischen Auseinandersetzungen über Umwelteinflüsse bis hin zu ökonomischem Entwicklungsdruck – gilt es mit den Mitteln der Konvention und im Interesse der Staatengemeinschaft entgegenzutreten. Kultur- bzw. Naturerbe ist eine endliche Ressource, die es in ihren unzähligen Dimensionen in unserem eigenen Interesse zu bewahren gilt. Dazu haben sich die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens selbst verpflichtet.

Sabine Haag
Das zwischenstaatliche Welterbekomitee spricht sich nicht aus Prinzip gegen gewisse Entwicklungen aus, sondern erfüllt jene Rolle, die dieser Völkerrechtsvertrag vorsieht. Die Einzigartigkeit und Intaktheit der Wiener Stadtlandschaft ist ein wesentliches Kriterium (und seitens Österreichs im Rahmen der Nominierung zentrales vorgebrachtes Argument) für die Einschreibung in die Welterbeliste und damit für ihre globale Bedeutung und Schutzwürdigkeit. Damit hat sich die Republik dazu verpflichtet, diese Aspekte für kommende Generationen zu schützen und bewahren. Es sind keine beliebigen Kategorien und Kriterien, die hier zum Tragen kommen, die UNESCO bezieht sich immer auf jene Aspekte, die der Vertragsstaat konkret und freiwillig als Schutzgut und -grund vorgebracht hat.
Wenn Christoph Schwarz nun schreibt, das Welterbe sei „bloße Kosmetik und hat keinerlei touristischen oder sonstigen Wert“, verkennt das nicht nur die Zielsetzungen dieses Völkerrechts, sondern auch dessen globale Dimension und die Rolle und Verantwortung Österreichs (und der Stadt Wien) in diesem multilateralen System.
Die Frage, wie wir mit unserem Welterbe, das im Sinne der Konvention das gemeinsame Erbe der gesamten Menschheit ist, umgehen, ist weitaus größer als die Diskussion um ein konkretes (aber sicherlich in diesem Zusammenhang zentrales) Bauvorhaben.
Österreichs Stärke im globalen Kontext ist vor allem eine der kulturellen „Soft Power“. In diesem Sinne gilt es auch die Reputation Österreichs in diesem für die Identität und die kulturpolitische Außenwahrnehmung unseres Landes wesentlichen Feld genau im Auge zu behalten. Der UNESCO vorzuwerfen, ihren Auftrag zu erfüllen, den ihr Österreich als Mitgliedstaat auch selbst zuschreibt und sich dabei an die Regeln zu halten, die ihre Mitgliedstaaten beschlossen haben, kann nicht als konstruktiver Beitrag in dieser sensiblen Debatte gelten.
Was wir hier in Wien und in Österreich tun, hat im Zweifel Auswirkungen auf ein System, das weltweit Wesentliches dazu beigetragen hat – und nach wie vor beiträgt –, die größten Errungenschaften der menschlichen Kultur und die wertvollen Erscheinungen der Natur für uns alle zu bewahren. Das sollten wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen.
Zur Autorin:
Sabine Haag ist Kunsthistorikerin und seit 2018 Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission, war bis Ende 2024 Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums.
Kommentare