Welterbe-Prüfung: Die dubiosen Heumarkt-Vorgänge

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Der interne Akt zeigt, wie blitzschnell Projektwerber Tojner das später geänderte Gutachten anforderte und danach 20.000 Euro bezahlte – Opposition ortet Skandal.

Wie sauber ist das Behördenverfahren zum Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt wirklich abgelaufen? Nach dem KURIER-Bericht über die Einflussnahme der Umweltschutzbehörde MA 22 auf das eigentlich unabhängige Städtebau-Gutachten der deutschen Universitätsprofessorin Christa Reicher, tauchen nun aus dem Akt neue Details zum UVP-Verfahren auf.

Die Stadt Wien hat ja auf Basis dieses Gutachtens eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Heumarkt-Projekt verneint, da es auf das Wiener Weltkulturerbe „keine erheblichen“ Auswirkungen habe.

Bemerkenswert ist auch die Rolle des Projektwerbers, nämlich Michael Tojners Wertinvest: Am 28. Februar 2023 ersuchen dessen Anwälte die MA 22 um das keine vier Tage zuvor eingelangte Original-Heumarkt-Gutachten – und es wird prompt übermittelt. Dieses war, wie berichtet, noch gespickt mit kritischen Anmerkungen zum Turm-Projekt, die später allesamt eliminiert wurden.

Anders dann im April 2023, als das auf MA22-Wunsch überarbeitete  und abgemilderte Gutachten vorliegt: Nun wird das „schlüssig aufgebaute Gutachten“ gelobt, da es jetzt ein „klares rechtliches Ergebnis“ bringe.

Wurde bei der Behörde oder der Politik interveniert? Hier liefert der UVP-Akt keine Antworten. Im Akt selbst äußern sich die Tojner-Anwälte dazu nicht. Gegenüber dem KURIER weisen sie das zurück: „Wertinvest hat keine direkte oder indirekte Einflussnahme auf die Erstellung der Gutachten genommen“, so Anwalt Karl Liebenwein. (Er war nicht der Rechtsvertreter von Wertinvest im UVP-Verfahren.) 

Kosten von 20.000 Euro 

Zugleich wird betont, dass man „diesen unsachlichen Versuch einer Beeinflussung ordentlicher Gerichte im Rechtsmittelverfahren“ zurückweist. Bezahlen muss diese Gutachten laut UVP-Gesetz übrigens der Projektwerber – also Tojner –, in Summe rund 20.000 Euro. Allerdings wurde es laut Honorarnote von Gutachterin Reicher durch die Änderungswünsche um 3.199,61 Euro teurer.

Und offenbar verbindet die Wertinvest damit, die Inhalte  des (nicht öffentlichen) Gutachtens für ihre PR-Zwecke nutzen zu können. So wurde schon vor einem Jahr gegenüber dem KURIER mit der Reicher-Expertise geworben. Allerdings nur mit der geänderten Zweitversion.

„Korrekte und professionelle Vorgangsweise“

Reicher selbst antwortete auf den Fragenkatalog des KURIER nicht – anders die MA 22, die zumindest partiell repliziert. Der erfolgte „Ergänzungsauftrag“ sei aufgrund „einzelner Unklarheiten“ erfolgt, aber nicht, um „das Gutachten abzumildern“. Man weist sogar zurück, auch nur „irgendeinen Einfluss auf das Ergebnis des Gutachtens“ genommen zu haben, und sieht  eine „korrekte und professionelle Vorgangsweise“.

"Untergräbt Rechtsstaatlichkeit"

Christian Schuhböck von „Alliance For Nature“, der den Heumarkt-Bescheid  vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpft, erwartet dennoch, dass das Reicher-Gutachten in der Berufungsinstanz wegen offensichtlicher Einflussnahme nicht mehr akzeptiert wird.  „Ein derartiges Vorgehen untergräbt die Rechtsstaatlichkeit.“

Auch politisch schlägt der KURIER-Bericht mitten im Wiener Wahlkampf Wellen:  FPÖ-Planungssprecher Toni Mahdalik ortet Amtsmissbrauch und verlangt deswegen einen Neustart für das „offenbar getürkte Verfahren“. Ähnlich ÖVP-Planungssprecherin  Elisabeth Olischar, die von einer „Posse rund um die Causa Heumarkt“ spricht:  „Sollte hier seitens der Stadt tatsächlich aktiv manipulierend eingegriffen worden sein, ist das ein unglaublicher Skandal.“   

Neos "erstaunt" über KURIER-Enthüllung

Auch SPÖ-Juniorpartner Neos, der im Sommer dem UVP-Bescheid aufgrund des „unabhängigen“ Gutachtens zugestimmt hat, reagiert „mit Staunen“ auf die Enthüllungen:  „Diese Vorgänge müssen  im weiteren Instanzenweg berücksichtigt werden“, fordert die pinke Listenerste Selma Arapovic.

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