Heumarkt-Projekt: Auch die kleinste Variante fällt in Gerichtsgutachten durch

Modell des „Projekt Heumarkt“ von Wertinvest.
Das UNESCO-Weltkulturerbe ist auch bei der 50-Meter-Minimalversion "erheblich" beeinträchtigt, heißt es in einem Gutachten für das Bundesverwaltungsgericht. Der nächste Rückschlag für das umstrittene Projekt.

Für Michael Tojners Wertinvest war es wahrlich keine gute Woche: Vergangenen Montag hob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Bescheid der Stadt Wien auf und verdonnerte das Heumarkt-Projekt nun doch zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Daraufhin wurde medial die Hoffnung verbreitet, dass die Chancen auf grünes Licht für die um zwei Stockwerke niedrigere Variante mit 50-Meter-Wohnturm groß seien. Doch nun zeigt ein dem KURIER vorliegendes Gerichtsgutachten des BVwG, dass selbst diese kleinste Version durchfällt.

Konkret geht es in dem vom BVwG beauftragten Gutachten der deutschen Fachexpertin Birgitta Ringbeck um das sogenannte Projekt „Heumarkt Neu 2023“, das Bauhöhen von 49,95 Metern (Wohnturm) und 47,85 Metern (Hotelturm) vorsieht. Ganz ähnlich wie im druckfrischen BVwG-Erkenntnis sieht auch hier die Gutachterin das UNESCO-Weltkulturerbe „erheblich“ beziehungsweise „wesentlich“ beeinträchtigt. Folgt das Gericht dieser Ansicht, ist auch hier eine UVP  mit ungewissem Ausgang für die angestrebte Baugenehmigung unumgänglich. 

Baustart in weiter Ferne

Und Tojners Plan, das viel diskutierte Projekt trotz anhaltend ablehnender Haltung der UNESCO via nationaler Gerichte durchzubringen und 2028 mit dem Bau zu starten, dürfte damit zum Scheitern verurteilt sein.

Auch in dieser Causa hatte die Stadt Wien im November 2024 zunächst festgestellt, dass keine UVP nötig sei, da der Schutz des Welterbes im Herzen der Bundeshauptstadt „nicht wesentlich“ beeinträchtigt wäre.

Dem widerspricht Ringbeck nun allerdings deutlich: „Das Vorhaben ,Heumarkt Neu 2023‘ beeinträchtigt (…) den für das schutzwürdige Gebiet festgelegten Schutzzweck der UNESCO-Welterbestätte Historisches Zentrum von Wien erheblich und gefährdet den Welterbestatus.“ Denn das Projekt erfülle auch nicht die gewünschten „Vorgaben und Korrekturmaßnahmen“ des Welterbezentrums – was auch daran abzulesen sei, dass Wien mangels „Projektmodifikation“ erst im Juli 2025 auf der roten Liste des gefährdeten Welterbes bestätigt worden sei.

„Prominenter Präzedenzfall“ 

Außerdem würde mit dem Bauvorhaben „ein besonders prominenter Präzedenzfall realisiert“, der gleichsam einen Dammbruch bewirken könnte: Dann könnte nämlich künftig auf den Heumarkt verwiesen werden, „um negative Auswirkungen auf den außergewöhnlichen universellen Wert des Historischen Zentrums von Wien mit dem Argument zu relativieren, dass ohnehin schon Störungen bestehen“,  schreibt Ringbeck. Das Gutachten von Christa Reicher, auf das sich Wien in der ersten Instanz berufen hat, ist für sie übrigens „nicht plausibel und nachvollziehbar“.

Wie geht es in diesem Verfahren nun weiter? Anfang Dezember ist am BVwG eine Verhandlung zu diesem Gutachten angesetzt. Christian Schuhböck von „Alliance For Nature“, der das Verfahren beeinsprucht hatte, fühlt sich in seiner jahrelangen Sicht bestätigt: Er erwartet,  dass das  BVwG nun auch diesen Bescheid aufheben wird – es wäre der bereits dritte in Sachen Heumarkt. Und er warnt: „Lange darf sich  Wien  nicht mehr spielen, sonst  könnte der UNESCO der Geduldsfaden reißen und das Welterbe-Prädikat aberkennen. Dies wäre dann eine internationale Blamage für die Kulturnation Österreich.“

Tojner-Anwalt kämpft

Anderer Ansicht ist Tojner-Anwalt Karl Liebenwein, der das Ringbeck-Gutachten bekämpfen möchte: Dieses sei aufgrund von methodischen Fehlern und unzulässigen Beurteilungen „nicht geeignet, dem Gericht als tragfähige Entscheidungsgrundlage zu dienen“. Stattdessen verweist Liebenwein auf das Reicher-Gutachten der Stadt, das allerdings zuletzt vom BVwG nicht berücksichtigt wurde. 

Tojner blitzt in Wien ab

Pikant ist, dass die Stadt Wien offenbar nicht mehr gewillt ist, das Heumarkt-Projekt bedingungslos zu unterstützen. Nach Bekanntwerden des BVwG-Erkenntnisses sah Liebenwein „eindeutig die Stadt Wien am Zug“ und forderte gleichsam deren Bekämpfung des Urteils. Doch damit blitzte er bei der zuständigen MA 22 (Umweltschutz) ab, die nämlich eindeutig die Projektwerberin in der Pflicht sieht: Es liege an ihr, in Revision zu gehen,  „eine UVP (...) einzureichen oder sich für eine andere Variante zu entscheiden“.

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