"Überraschend": Heumarkt-Projekt braucht jetzt doch eine Umweltprüfung
So würde der Bau neben dem Wiener Konzerthaus aussehen.
Hat das Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt erhebliche Auswirkungen auf das UNESCO-Weltkulturerbe oder nicht? Diese Frage ist letztlich entscheidend, ob das umstrittene Bauvorhaben in die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) muss oder nicht (und daran womöglich scheitert und keine Baugenehmigung erhält). Während Stadt Wien und Investor Michael Tojner die UVP-Pflicht zuletzt klar verneinten – im Gegensatz zu UNESCO und Projektgegnern –, hat nun das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein Machtwort gesprochen: „Für das beantragte Vorhaben ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (...) durchzuführen“, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Erkenntnis, das dem KURIER vorliegt.
Türme sind weiter zu hoch
Konkret geht es bei diesem Bauvorhaben um das Projekt „Heumarkt neu 2021“ (siehe Info-Kasten), das Höhen von 56,5 (Wohnturm) und 47,85 Metern (Hotel) aufweist. BVwG-Richter Gernot Eckhardt hat es sich in dem Verfahren nicht leicht gemacht, weil er Ende Juni extra einen zweiten Verhandlungstag anberaumt hat, wo es zwischen Projektwerber Wertinvest und Anrainern beziehungsweise Umweltorganisationen, die das BVwG als Berufungsinstanz angerufen hatten, mitunter äußerst hitzig zuging.
Nun hat Eckhardt auf 96 Seiten sein Erkenntnis ausformuliert. Bei der Schlüsselfrage nach den Auswirkungen auf das Welterbe kommt er zu einem eindeutigen Ergebnis: „Bei einer Realisierung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens ist – vor allem durch visuelle Auswirkungen auf die Stadträume Belvederegarten und Stadtpark – mit großen negativen Beeinträchtigungen des außergewöhnlichen universellen Wertes der UNESCO-Welterbestätte ,Historisches Zentrum Wien‘ bzw. wesentlicher Attribute, die den außergewöhnlichen universellen Wert vermitteln, zu rechnen.“ Das BVwG folgt damit auch der Linie der UNESCO, die alle bisherigen Heumarkt-Varianten abgelehnt hat und deshalb Wien auf der roten Liste des gefährdeten Welterbes führt – und zwar durchgehend seit 2017.
Wegen der erkannten „großen negativen Beeinträchtigungen“ ergibt sich zwingend eine UVP-Pflicht: „Die Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 ist demzufolge im vereinfachten Verfahren vorzunehmen“, so das BVwG. Bei der Umweltprüfung müssten dann insbesondere die Auswirkungen auf das Stadtbild genau untersucht werden. Außer der weiteren Verzögerung für das Projekt – eine UVP dauert rund ein Jahr – schwebt aber auch das komplette Aus des Projekts in der Luft: Denn obwohl es seit 2017 eine rechtsgültige Flächenwidmung für den Heumarkt gibt, führt dann eine Baugenehmigung nur über eine positive Umweltprüfung.
Die Stadt Wien hatte das Projekt im August 2024 schon durchgewunken und keine UVP-Pflicht gesehen – nachdem die Neos ihren Widerstand aufgegeben hatten. Zugleich ergaben Recherchen des KURIER, dass Beamte der MA 22 (Umweltschutz) an die Sachverständige Christa Reicher Wünsche deponiert hatten, sodass diese ihr Gutachten abänderte; allerdings wurde von Wien ein Einfluss „auf das Schärfste“ zurückgewiesen. Da das nunmehrige BVwG-Erkenntnis den Feststellungsbescheid der Stadt Wien aufhebt, gilt dies auch als Niederlage für das Rathaus.
Die Umgestaltung des Heumarkt-Areals (mit Hotel Intercontinental und Wr. Eislaufverein) beschäftigt die Öffentlichkeit seit 2012.
Mehrere Varianten
Die Flächenwidmung von 2017 würde einen 66 Meter hohen Wohnturm erlauben. Außer dieser Variante sind bei den Behörden zwei weitere eingereicht: „Heumarkt neu 2021“ (56,5/47,85 m) und „Heumarkt neu 2023“ (49,95/47,85 m). Über Letztere wird am 3. Dezember am BVwG verhandelt. Frühestmöglicher Baubeginn ist 2028.
Tojner-Anwalt „überrascht“
Doch wie geht es nun weiter? Die Wertinvest könnte berufen – entweder beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) oder außerordentlich beim Verwaltungsgerichtshof. Beim VfGH ist der Heumarkt-Investor aber schon 2019 mit einer höheren Heumarkt-Variante abgeblitzt. Eine Entscheidung über eine Revision ist noch nicht gefallen, heißt es von Tojner-Anwalt Karl Liebenwein, der sich „überrascht“ vom Erkenntnis zeigt, da es die Reicher-Expertise konterkariere.
Erfreut äußern sich indes die involvierten Umweltorganisationen: „Jetzt ist gewährleistet, dass eine UVP nicht mehr vermieden werden kann“, urteilt „Virus“-Chef Wolfgang Rehm. Ähnlich sieht es Christian Schuhböck, Generalsekretär von „Alliance For Nature“, welche das erste Heumarkt-Projekt zu Fall gebracht hat: Bei Rechtskraft sei nun sichergestellt, dass sich die „Wiener Bevölkerung am Verfahren beteiligen kann“.
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