Wer sagt die Unwahrheit? Brisante Auskunft zum umstrittenen Heumarkt-Projekt

Rendering: Die umstrittene Bebauung des Eislaufverein-Areals: Wer sagt dazu die Unwahrheit?
Die Stadt Wien widerspricht erstmals offiziell, dem Investor Michael Tojner ein „Commitment“ für den Bau gegeben zu haben. Ein Indiz, dass Wien immer mehr abrückt.

Um das umstrittene Hochhaus-Projekt am Heumarkt, das die Stadtplanung seit bald 15 Jahren beschäftigt, ranken sich viele Mythen. Einige haben ihren Ursprung in der Frühphase der Planungen, als Investor Michael Tojner die ursprünglich klar ablehnende rot-grüne Stadtregierung quasi „umgedreht“ hat und für sein Vorhaben gewinnen konnte – zur Verwunderung vieler Beobachter. Er habe von der Stadt ein „Commitment“ – also eine Verpflichtung/ein Versprechen –, dass das Projekt so umgesetzt werde, betonte Tojner stets. Doch nun ergibt eine Anfrage des KURIER nach dem neuen Informationsfreiheitsgesetz, dass es besagtes „Commitment“ nie gegeben hat. Und damit erscheint das Heumarkt-Projekt in einem neuen Licht.

„Stadt gab Commitment“

Blick zurück ins Jahr 2014: Im Februar wird das Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs präsentiert – der Brasilianer Isay Weinfeld machte mit einem 73 Meter hohen Turm für Luxuswohnungen das Rennen. Als sich breiter Widerstand aus der Fachwelt und der Politik regt – auch wegen des Standortes in der UNESCO-Welterbezone –, tritt Tojner offensiv an die Medien. Und erklärt am 4. Juni in einem Interview mit dem „Wirtschaftsblatt“: „Die UNESCO wird sich aufregen, ja. Aber die Stadt Wien hat das Commitment gegeben, das umzusetzen.“

Dass sich die UNESCO „aufregen“ wird, hat der weitere Verlauf der Geschichte bewiesen – denn kaum war 2017 das Areal umgewidmet, folgte der Eintrag auf der roten Liste des gefährdeten Welterbes (wo sich „Wiens historische Zentrum“ nach wie vor befindet).

Aber wie war das mit dem „Commitment“? Haben politische Vertreter der Stadt Wien einem Investor vorab Versprechungen gemacht? Noch dazu in der Frühphase, bevor eine einreichfähige Planung vorlag, und Fachgremien sowie Beamte unabhängig beurteilen konnten? Und lange bevor der Gemeinderat darüber entscheiden konnte? Ein derartiges Zugeständnis müsste wohl die Korruptionsermittler auf den Plan rufen (bisher verliefen aber alle Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft im Sand).

Wien bricht Schweigen

Da die Stadt Wien dazu bisher eisern geschwiegen hat, wollte der KURIER von der Magistratsdirektion wissen, welches „Heumarkt“-Commitment wann von wem gegeben wurde und was sich dazu in den Akten findet. Nach einem Monat kam die Antwort von Bernhard Steger, Leiter der MA 21A (Flächenwidmung): „Zu Ihrer Anfrage kann mitgeteilt werden, dass es im Zeitraum zwischen 2010 und 2014 kein Commitment von offiziellen Vertretern der Stadt Wien, auch nicht vom damaligen Bürgermeister Michael Häupl oder der damaligen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gab, das Wertinvest-Projekt am Heumarkt/Wiener Eislaufverein umzusetzen.“

Was sagt Tojner jetzt?

Daraus lassen sich vor allem zwei Schlüsse ziehen: Wenn es das mit breiter Brust verkündete Versprechen gar nicht gab, hat jemand die Unwahrheit gesagt – die Stadtregierung oder Tojner? Bemerkenswert: Ein Tojner-Sprecher wollte auf diesen Widerspruch gar nicht eingehen, sprach von „Unterstellung“ und davon, dass man jetzt bemüht sei, „in vertrauensvoller und intensiver Zusammenarbeit (...) eine für alle Seiten verträgliche Lösung zu finden“.

Man könnte die verspätete Distanzierung vom Tojner-Sager aber auch als ein Abrücken der Wiener SPÖ vom umstrittenen Projekt deuten: Vorbei die Zeiten, als Ex-Finanzstadtrat Peter Hanke lieber den Welterbe-Titel als das Heumarkt-Projekt aufgeben wollte; und Stadtchef Michael Ludwig hat das Problem von Vorgänger Häupl geerbt und seither immer wieder betont, das Einvernehmen mit der UNESCO müsse hergestellt werden. Und als zuletzt der Landstraßer SP-Bezirksvorsteher Erich Hohenberger genau das infrage stellte, bekam er keinerlei politische Unterstützung.

Stattdessen betonte Planungsdirektor Thomas Madreiter, dass nun die Wertinvest für ein „finales Projekt“, das den UNESCO-Vorgaben entspricht, am Zug sei. Ein „Commitment“, den Investor auf Biegen und Brechen, zu unterstützen, sieht wahrlich anders aus.

Derzeit hängt das aktuell eingereichte Projekt (in der Variante mit 56,5-m-Wohnturm) ohnedies im UVP-Verfahren fest. Frühest möglicher Baustart: 2028.

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