Lkw-Routen als erste Spuren

Tatort Wien: War Mordopfer Zlatko N. mit der Speditions-Mafia am Balkan im Geschäft? Die wenigen verwertbaren Spuren führen dort hin
Speditions-Mafia am Balkan im Visier. Recherchen über Berufsleben des Opfers.

Das mögliche Doppelleben des durch Kopfschüsse getöteten SPÖ-Gemeinderates und gebürtigen Serben Zlatko N., 45, beschäftigt neben seiner Heimatgemeinde Mondsee (OÖ) auch die Kriminalisten. Wie berichtet, wurde der zweifache Familienvater und Speditionsinhaber Samstagnacht in Wien-Ottakring in einem BMW X5 erschossen. Nach dem Mord explodierte eine Handgranate in dem Luxus-SUV. Dabei kam sein Beifahrer, der deutsche Staatsbürger Waldemar W., 57, ums Leben.

„Man kann in einen Menschen leider nicht hineinschauen“, sagt Christian Oberschmied, SP-Fraktionskollege in Mondsee. Über seine berufliche Vergangenheit habe N. ihm erzählt, dass er Maschinenschlosser sei und während des Bosnien-Krieges bei einem Onkel in Nürnberg gearbeitet habe. Laut Nachbarn soll er auch bei einer Salzburger Kranfirma und einem großen Elektronikkonzern angestellt gewesen sein. Oberschmied: „Mir hat er gesagt, dass seine Transportfirma eng mit einem international tätigen Salzburger Frächter kooperiert. Dort soll man ihm mit einem Anwalt ausgeholfen haben, als sein Lkw-Zug gestohlen worden ist. “

Diese Geschichte wurde bei KURIER-Recherchen aber nicht bestätigt. Das von N. genannte Unternehmen hat weder ihn als Einzelperson, noch sein Unternehmen in der Kartei. „Nie davon gehört“, heißt es auf Anfrage.

Connection Bratislava

Neben der Spedition Trans Norix KG in Wals-Siezenheim (Sbg.) soll Zlatko N. jedenfalls ein weiteres Transportunternehmen (GNR s.r.o.) in Bratislava geleitet haben. Mit dem Innviertler Saša P. soll er eine Million Slowakische Kronen (33.000 €) als Stammkapital in diese GmbH eingebracht haben. Ermittler aus Salzburg, Oberösterreich und Wien erstellen nun Diagramme bezüglich der Lkw-Routen. Tatsache ist, dass die Lkw in Spanien, Deutschland, Österreich, Ex-Jugoslawien und Bulgarien unterwegs waren. Die Sattelschlepper wurden von Ost-Lenkern gesteuert. N. soll mit einem Cousin in seiner Ex-Heimat rege Geschäftskontakte gepflegt haben.

Eine weitere Spur führt auf den östlichen Balkan. Denn der BMW wurde in Bulgarien geleast. Polizeisprecher Thomas Keiblinger: „Das Fahrzeug ist auf einen bulgarischen Staatsbürger angemeldet.“ Fahnder des Bundeskriminalamtes (BK) nahmen bereits Kontakt mit den Behörden vor Ort auf. Der rechtmäßige Mieter des Leasing-Fahrzeuges soll bereits befragt worden sein.

Rätselhaft bleibt es um den zweiten Toten, den Deutschen Waldemar W. (Name der Redaktion bekannt). Er dürfte als U-Boot gelebt haben – ist weder kriminaltechnisch aktenkundig noch hat er eine Meldeadresse. Bekannt ist nur, dass er 2003 ein halbes Jahr für den Erschossenen als Chauffeur gearbeitet hat.

Kann ein Handgranatensplitter einen menschlichen Körper durchschlagen? Wie unterscheiden sich der Schusskanal eines Handgranatensplitters und der eines Projektils einer Feuerwaffe? Gerichtsmedizin und Kriminaltechnik betreten bei dem Handgranatenfall Neuland.

Feuergefecht

In Österreich gab es nur ein Mal einen Fall, wo es zum Zusammenwirken von Explosionswaffen und Feuerwaffen gekommen ist. Am 27. Dezember 1985 warfen Terroristen Handgranaten in die wartende Menge beim Checkin der israelischen Airline „El Al“ am Flughafen Wien Schwechat und eröffneten das Feuer mit Kalaschnikows. Die Polizei erwiderte das Feuer. Es fielen 200 Schüsse. Zwei Passagiere wurden getötet und über 40 verletzt.

Der damalige Technik-Offizier des Bundesheeres und Gerichtssachverständige Ingo Wieser hatte die Frage zu lösen, wer wen getötet hat: Als Schützen infrage kamen die Terroristen, die Polizisten und die Agenten des israelischen Geheimdienstes.

Wieser zum KURIER: „Es war eine gewaltige Herausforderung. Denn wir hatten erstmals in der Kriminalgeschichte Verletzte und Tote mit einer Mischung aus Splitter- und Schussverletzungen.“ Die für die Tests notwendigen Waffen waren leicht zu beschaffen. Denn beim Bundesheer war alles vorhanden. Auch die damals verwendeten Handgranaten sowjetischer Bauart.

Lkw-Routen als erste Spuren

Es gibt zwei Typen von Handgranaten: Jene, die in einer Plastikhülle gleich große Stahlkügelchen eingebettet haben – und jene mit einem Wurfkörper aus Gusseisen, die sich in unterschiedlich große Stücke („natürliche Splitter“) zerlegen.

Wiesers Erkenntnis vom Terroranschlag: Größere Stücke der Gusseisengranaten sind durchaus in der Lage, einen Körper glatt zu durchschlagen. Sie sind mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1500 Meter pro Sekunde unterwegs. Ob der Schusskanal nun von einer Feuerwaffe oder einem Granatsplitter stammt, erkennt das geübte Auge nur an Eigenarten der Einschussstelle und an geringfügigen Unterschieden beim Schusskanal.

Im aktuellen Fall meint die Gerichtsmedizin, dass Zlatko N. Schussverletzungen einer Feuerwaffe aufweise. Aber gefunden wurden bisher weder eine Tatwaffe, noch ein Projektil, noch eine Patronenhülse.

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