Zwischen zwei Welten: Wie sich der Handel seit der Pandemie gewandelt hat
„Ich bin schon zufrieden mit dem Geschäft“, sagt Eva Armborst und lächelt. Sie betreibt den Bekleidungsshop Magic Oyster im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Der Fokus liegt auf „handverlesenen Vintage-Stücken“. Man erhält bei Armborst Originale und auch Neuware im Stil der vergangenen Jahrzehnte, meistens aus den 1950ern und 1960ern.
Da sich die Art und Weise, wie ihre Kundinnen kaufen, wo sie kaufen und wodurch sie Kaufentscheidungen treffen, in den vergangenen Jahren verändert hat, muss sie am Puls der Zeit bleiben. „Während der Pandemie habe ich begonnen, meinen Onlineshop aufzubauen.“
Kreativ und witzig
„Es wird dort gekauft, wo es gerade am einfachsten und bequemsten ist, im Geschäft oder online“, bestätigt Margarete Gumprecht, Obfrau der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Wien. Für Händlerinnen und Händler werde es immer entscheidender, überall den gleichen Service, in gleich hoher Qualität zu bieten sowie die Verfügbarkeit von Produkten auf allen Kanälen sicherzustellen.
Die Kundinnen und Kunden würden ihre Einkäufe nicht mehr bloß auf einen Kanal beschränken, sondern nutzen verstärkt ein kanalübergreifendes Shoppingangebot. Die Pandemie habe diese Entwicklung zusätzlich befeuert, ist die Handelsobfrau überzeugt: „Viele Betriebe haben diesen Trend für sich genutzt und ihr Online-Angebot ausgebaut, sei es über eigene Webshops, Marktplätze oder soziale Medien.“
So auch Eva Armborst und die Magic Oyster. Auf Instagram zählt die Unternehmerin knapp 4.000 Follower, mittlerweile verkauft sie dort sogar mehr als im Webshop. Das liegt auch daran, dass sie ihre Mode auf der Plattform kreativ – anhand von kurzen Filmchen – inszeniert und sich für jedes Kleidungsstück ein passendes Posting ausdenkt. Dazu spielt unterschiedliche Musik im Hintergrund, die meisten Videos sind witzig, manche haben aber auch einen ernsten Hintergrund. So tanzt sie in einem dunkelblauen Kleid zu einem Song, der von aufgestauter Wut handelt. Dazu schreibt sie: „Wenn einem zufällig wieder einfällt, was man sich damals als junge Frau hat gefallen lassen.“ In einem anderen Video zeigt sie vor, wie man im Notfall mit einem Kugelschreiber die Haare hochstecken kann. Das gefällt ihren Kundinnen.
Unterschiedliche Kundinnen
„Meine Zielgruppe ist sehr heterogen. Einerseits sind es junge Frauen, die sich gerne täglich von Kopf bis Fuß in Vintage stylen. Andererseits sind es Damen, die auf der Suche nach einem schönen Kleid für die Hochzeit ihres Sohnes sind“, sagt Armborst. Derzeit verkaufe sie immer noch am meisten im stationären Shop, die Verkäufe über Direktnachrichten auf Instagram seien aber im Steigen begriffen. „Hi, das Kleid gefällt mir total gut, gibt es das noch in Größe Medium?“ – solche Nachrichten erhält Armborst als Antwort auf ihre Kleiderpostings. Sollte das gewünschte Stück vorhanden sein, dann verschickt sie es umgehend.
Und der Onlineshop auf der Website? Dieser sei mittlerweile ebenso unerlässlich, weil sich dort viele Kundinnen erstmals über die Ware und das Preisniveau informieren. „Danach kommen sie zu mir in den Shop, probieren das Kleid und kaufen es hier.“
Mehr als nur shoppen
Laut Wirtschaftskammer Wien würden viele Händlerinnen und Händler verstärkt auf den Ausbau der Online-Angebote setzen. Aber auch auf Zusatzservices wie Click & Collect, Workshops (Bastelkurse, Modestilberatungen oder Kochkurse mit regionalen Lebensmitteln) oder Grätzel-Treffen.
Dem stationären Handel komme dabei zugute, dass das Einkaufserlebnis im Geschäft und die persönliche Beratung nach der Pandemie wieder geschätzt und als Ausflug gesehen wird. „Als wichtiges Standbein für die Wiener Wirtschaft braucht es innovative Ideen und Zugänge. Digitale Services können hier ein Baustein sein, um den stationären Handel für Konsumentinnen und Konsumenten attraktiv zu halten und die Vorteile aus beiden Welten zu verbinden“, sagt Gumprecht.
Gefragte digitale Services seien etwa der kostenlose (Rück-)Versand von Ware innerhalb weniger Tage, eine Online-Verfügbarkeitsprüfung, die Möglichkeit zur Einrichtung eines Reminders bei Verfügbarkeit eines Produkts oder auch Online-Reservierung mit Abholung im Shop.
Zahlen und Fakten
Gegenüber dem Vorjahr ist die Anzahl der Online-Shopper (16-74 Jahre) um 6 Prozentpunkte auf 74 Prozent gestiegen, das zeigen die Zahlen des Instituts für Österreichs Wirtschaft (iföw) für 2023. Vor allem Kleidung und Schuhe, Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetik und Bücher werden demnach online geshoppt.
Auch ältere Generationen und Menschen, die zuvor selten online einkauften, haben während der Pandemie vermehrt den Online-Handel genutzt und Vertrauen in diese Einkaufsform gewonnen. Unabhängig davon, ob man für den Einkauf das Internet oder das Geschäft präferiert, informieren sich 8 von 10 Wienerinnen und Wienern vorab online über Produkte und Services.
Die Zukunft des Einkaufens sei hybrid, in der Online- und Offline-Welt gleichermaßen, meint Gumprecht. „Corona hat den Konsum außerdem regionaler gemacht und war ein Booster für den Ausbau des regionalen Online-Handels.“ Die Pandemie und die Teuerungen hätten den Trend zur bewussten Kaufentscheidung verstärkt. „Die Menschen schauen genauer, bei wem, aber auch wofür sie ihr Geld ausgeben.“
Was hat sich sonst noch seit der Pandemie verändert? Magic Oyster-Chefin Armborst: „Man sagt ja, dass die Kundinnen und Kunden seither so garstig geworden sein sollen, aber das sehe ich bei meinen Damen überhaupt nicht. Sie sind alle sehr nett!“
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