Hafen Wien sucht um Räumung an: Warum ein Kapitän von Bord muss
Franz Scheriau besitzt von allem das Letzte. Die letzte erhaltene Donaufähre, die letzte erhaltene Donaukanalfähre, die letzte erhaltene Wassertankstelle der Donau. Und das Highlight der Sammlung: das Kaiserschiff mit dem Namen „Frédéric Mistral“.
Kaiser Franz Joseph habe das 1914 gebaute Schiff dazu genutzt, unbemerkt seine Ländereien zu bereisen, wird erzählt. Untergebracht in einer geheimen Koje.
Alles andere als geheim ist dagegen, dass das Schiff nun in Wien auf der Donau liegt. Es ist Teil des Wiener Schiffmuseums – und zugleich Wohnort des 72-jährigen Kapitäns Franz Scheriau.
(K)ein Haus an Land
Dass sich das so ergeben hat, ist allerdings Zufall. Mit 14 Jahren begann Scheriau seine Karriere als Schiffsjunge. Als Ölfrächter und Weltumsegler bereiste er dann die Weltmeere, bevor es ihn zurück in seine Heimat Leoben in der Steiermark zog, wo er ein Haus baute. „Nur, um dann festzustellen, dass ich mit dem Landvolk nicht leben kann“, sagt Scheriau. Glück also, dass genau zu der Zeit ein befreundeter Kapitän von einem Schiff wusste, dass im Donaudelta vor sich hinrottete. Das Kaiserschiff.
Kurzerhand entschied sich Scheriau deshalb, sein Haus am Land wieder zu verkaufen und das Schiff nach Wien zu schleppen, um es zu restaurieren. Erfahrungen in diese Richtung hatte er schließlich bereits gesammelt: „In Holland haben wir einen Ost-Indien-Frachtensegler restauriert. In Neuseeland einen Walfänger.“
In Wien aber ist Scheriau geblieben. Aus einem Schiff wurde ein knappes Dutzend. Die meisten davon sind Unikate, „Teil der österreichischen Geschichte“ – und eben sein Zuhause, sagt Scheriau.
Wie lange noch ist aber die Frage. Der Hafen Wien, der die Lände verwaltet, an der Scheriau mit seinen Schiffen liegt, hat um die Räumung ersucht. Bis 31. August hat Scheriau Zeit.
So plötzlich, wie es klingt, kommt das allerdings nicht. Der Disput rund um den Liegeplatz der Schiffe dauert schon Jahrzehnte: Bis vor einigen Jahren war Scheriau Untermieter von Romuald Artmann, einem Schiffsliebhaber, der ein Stück Lände gepachtet hatte. Als Artmann aber vor einigen Jahren verstarb, wurde auch sein Vertrag ungültig, Scheriau brauchte also einen neuen. Weil es in den Verhandlungen in den vier Jahren aber zu keiner Einigung gekommen war, kam nun das Ersuchen um Räumung vonseiten des Hafens.
Keine Versicherung in Sicht
Franz Scheriau bereitet das schlaflose Nächte, wie er sagt. „Die wollen, dass ich hier weggehe und alles räume. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Wo soll ich hin mit den Schiffen?“ Sein Anwalt Manfred Schiffner erklärt, dass Gespräche mit dem Hafen laufen: „Es gibt fast einen Konsens.“ Aber eben nur fast. Denn eine der Forderungen, die der Hafen für einen Vertragsabschluss stellt, sei nicht erfüllbar, sagt Schiffner. „Der Hafen fordert eine Versicherung. Wir haben alle Versicherungen angeschrieben, aber nur Absagen erhalten“, sagt er. Eine Vertragsunterzeichnung also unmöglich.
Vorerst wollen Schiffner und sein Mandant deshalb abwarten, ohne die Lände zum Stichtag zu räumen. Sollte die Sache danach vor Gericht landen, habe man gute Argumente, sagt der Anwalt. Erstens seien die Vertragskonditionen unerfüllbar. Zweitens habe Franz Scheriau auch ohne Vertrag die Rechnungen des Hafens weiter bezahlt.
Dass zweimalig Zahlungen in Form eines Benützungsentgelts erfolgt sind, bestätigt auch Dieter Pietschmann, Sprecher vom Hafen Wien. Von einer „vernünftigen Situation“ sei man dennoch weit entfernt. „Herr Scheriau hat derzeit Privilegien, die sonst keiner hat“, sagt Pietschmann. Ohne Genehmigung liege er nämlich illegal an der Lände.
Loswerden wolle man den Kapitän und sein Schiffsmuseum aber nicht, wird versichert. „Wir haben kein Interesse daran, dass er wegkommt. Wir wollen mit Herrn Scheriau nur ein legales Pachtverhältnis herstellen, wie das in Österreich eben üblich ist“, sagt Pietschmann. Und dafür seien einige Konditionen notwendig: Einerseits müsse die Verheftung der Schiffe genehmigt sein. Andererseits brauche Scheriau eine Berge- und Umweltversicherung. „Gesunkene Schiffe zu bergen, ist eine Katastrophe. Es ist extrem teuer und auch Umweltschäden sind bei gesunkenen Schiffen nicht selten.“
Rechtliche Schritte
Weil diese Forderungen bisher aber nicht erfüllt wurden, habe man Herrn Scheriau nun ersucht, die Lände zu räumen. Sollte das bis 31. August nicht passieren, werde man Scheriau am 1. September aber nicht gleich abschleppen, sagt Pietschmann. Konsequenzen wird es vorerst also keine geben, weitere rechtliche Schritte behalte sich der Hafen Wien aber vor.
Franz Scheriau überlegt unterdessen, wie es für ihn weitergehen soll. Ein Nachfolger wäre nicht schlecht, sagt er. „Das Konglomerat aus Schiffen wird einem irgendwann zu viel.“ Lieber hätte er ein einziges Schiff, mit dem er wieder reisen kann. Sein persönliches letztes Schiff sozusagen.
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